„Haus der Berge“ von delueg architekten

Architektur, 01.04.25
Adrian Engel
Im Südtiroler Sexten steht das „Haus der Berge“ – ein fünf­geschossiger Holzbau, gewidmet der umliegenden Landschaft, für alle, die mehr darüber erfahren wollen. Aus regionalen Sturmhölzern und mit leimfreien Holzver­bindungen konstruiert, verbindet das Projekt handwerkliches Können mit innovativer Architektur.

Wie in einem Klangkörper. Oder wie in einem Naturmuseum. So fühlt man sich im „Haus der Berge“. „Die Akustik wirkt dumpf, der Lärm des Talbodens verschwindet. Über Sichtachsen und Raumöffnungen wird die Aufmerksamkeit auf die Wälder, Almen und die Formationen der Bergwelt gelenkt“, sagen die beiden Architekten Matthias und Siegfried Delueg über ihr Werk.

Der Holzbau, entworfen von delueg architekten, vereint die jahrhundertealte Tradition des Südtiroler Holzbaus mit einer klaren Vision für die Zukunft – nachhaltig, regional und innovativ. Das Besucherzentrum in der kleinen Gemeinde Sexten ist ein Aushängeschild für die Dolomitenregion. Der Baustoff Holz darf hier naturgemäß nicht fehlen. Insgesamt hat das Projektteam im „Haus der Berge“ rund 220 Kubikmeter Holz verbaut, diese Holzstruktur hat ein Speicherpotenzial von rund 180 Tonnen Kohlenstoff. Die Vollholzbauweise war für die beiden Architekten von Beginn an indiskutabel.

Geschenk des Sturms

„Das Besondere am „Haus der Berge“ ist die Konzentration auf das Wesentliche“, erklärt Matthias Delueg. Kein überflüssiger Schnickschnack lenkt vom Kern des Gebäudes ab: Holz in seiner reinsten Form. Die vertikalen Balken aus Fichte und Lärche, die das Gebäude tragen, stammen direkt aus dem Gemeindewald Sexten. Doch diese Bäume waren keine gewöhnlichen: Sie fielen 2018 dem Sturmtief Vaia zum Opfer und erhielten durch das Projekt eine neue Bestimmung. Insgesamt 70 solcher Bäume hat das Team für den Bau verwendet.

Holz schreibt Geschichte

Bei der Verarbeitung der Holzstämme ist auch ein Teil der Sextener Geschichte wieder hochgekommen: Im Holz waren Projektile aus dem Ersten Weltkrieg eingewachsen. Besonders aus ökologischer Perspektive: Die von holzius gelieferten Bauelemente sind komplett leimfrei und metallfrei, sodass sie am Ende ihrer Nutzungszeit sortenrein getrennt und einer potenziellen Wiederverwendung zugeführt werden könnten. „Rückbaubarkeit ist ein wichtiger Bestandteil des Projekts. Ebenso wichtig war uns eine möglichst geringe Flächenversiegelung, weshalb wir bewusst auf eine vertikal gestapelte Nutzung gesetzt haben“, sagt Siegfried Delueg.

Für die Fertigung der patentierten Vollholzbauteile hat holzius eine uralte Holzverbindungstechnik neu interpretiert. Bei den Wandelementen hat das Bauteam die Bohlen in Wuchsrichtung verbaut und mit einer Gratleiste in Schwalbenschwanzform miteinander verbunden. Für die Decken- und Dachelemente sind die aneinandergereihten Holzbalken mit einer mehrfachen Nut- und Kammverbindung verkämmt und mit Schrauben aus Buchenholz zu einem formstabilen Vollholzelement verbunden. Der mehrlagig stehende Block hat eine hohe Tragfähigkeit. Fünf Stockwerke sind durch die traditionell inspirierte Verarbeitungsweise kein Problem.

»Man fühlt sich ein bisschen wie im Klangkörper eines Instruments. Die Akustik wirkt dumpf, der Lärm des Talbodens verschwindet. Über Sichtachsen und Raumöffnungen wird die Aufmerksamkeit auf die Wälder, Almen und die Formationen der Bergwelt gelenkt.«

Matthias und Siegfried Delueg, Delueg Architekten

Holzbau mit sozialer Funktion

Auch im Inneren setzt sich die Harmonie zwischen Architektur und Natur fort. Große Fenster öffnen den Blick auf die umliegenden Berge, während die unbehandelten Holzwände eine behagliche Wärme ausstrahlen. Das Gebäude ist hier vor allem ein Ort der Begegnung. Der zentrale Mehrzwecksaal, genannt „Terra Sexten“, bietet Platz für Veranstaltungen und Ausstellungen und stärkt die Verbindung zwischen Gästen und Einheimischen. Im vierten Stock finden diese eine aus dem Baukörper „ausgenommene“ Terrasse mit Ausblick auf die größte Bergsonnenuhr der Welt. Ein Fernrohr für die Dolomiten darf natürlich auch nicht fehlen.

Mit diesem Projekt haben delueg architekten und holzius ein beeindruckendes Beispiel dafür geschaffen, wie sich nachhaltige Bauweise und regionale Identität vereinen lassen. Das „Haus der Berge“ erzählt eine Geschichte von der Kraft der Natur – und davon, wie der Mensch sie mit Respekt und Kreativität nutzen kann.

Daten & Fakten

  • Bauherr: Gemeinde Sexten
  • Architektur: delueg architekten
  • Statik: Einreichung über Architekten
  • Planungsbeginn: Montagebeginn holzius: August 2022
  • Fertigstellung: September 2023
  • Nettogrundfläche: Ca. 120 m²
  • Materialkonzept: ausschließlich unmittelbar lokales Holz – Fichte und Lärche – aus ­Gemeindewäldern
  • Wärmeschutz: Holzfaserdämmung
  • Innenwände: Vollholzwandelemente 120 mm (11 m³) und 240 mm (18 m³)
  • Außenwände: Vollholzwandelemente 180 mm (79 m³)
  • Fenster: Holzfenster
  • Dach: Vollholzdachelemente 180 mm (14 m³)
  • Fundamentplatte/Kellerdecke: Betonbau
  • Qualitäten der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit: Verwendung von ausschließlich un­mittelbar lokalem Holz aus Gemeinde­wäldern, welches vom Sturmtief Vaia 2018 betroffen war