Wohnturm in Holz-Hybrid-Bauweise

Architektur, 04.11.24
Marlies Forenbacher
Der sogenannte Wohnturm in Mainz-Kastel beherbergt 21 Wohneinheiten mit Kinder­tagesstätte und Gemeinschaftseinrichtung. Das Leuchtturmprojekt ist Hessens erstes achtgeschossiges Wohngebäude in Holz-Hybrid-Bauweise und übernimmt eine Vorbildfunktion für das sich im Wandel befindende Areal „Kastel Housing“.

Hoch hinaus

Um die horizontale Ausdehnung des Gebäudes zu minimieren und den bestehenden Baumbestand weitestgehend zu erhalten, entschieden sich die ARGE Klaus Leber Architekten BDA und Lars Otte Architektur BDA für die Vertikale. Das modulare Grundrisskonzept überzeugte durch seine kompakte städtebauliche Setzung, die effiziente Grundrissstruktur sowie den klaren architektonischen Ausdruck. „Durch den stringenten und disziplinierten Entwurfsansatz, der konsequent die Anforderungen der Holzbauweise und des damit einhergehenden Brandschutzes in eine ganzheitliche Gestaltung überführt, wurde früh die planerische Grundlage für ein nachhaltiges, emissionsarmes und effizientes Gebäude gelegt“, erklären Lars Otte und Klaus Leber. Bereits in der Auslobung war eine Holz-Hybrid-Bauweise gefordert. Die Architekten beschlossen, das oberste Geschoss knapp unter die Hochhausgrenze zu legen, damit die Möglichkeiten der Novellierung des Holz-Hybrid-Baus auszuschöpfen und gleichzeitig die Leuchtturmfunktion zu verstärken. „Die Holz-Beton-­Bauweise bietet sich für den mehrgeschossigen Wohnungsbau an. Das höhere Deckengewicht der Holz-Beton-Verbunddecke wirkt sich positiv auf den Schallschutz aus. Sie können mit einer geringen Konstruktionshöhe im Vergleich zu reinen Holzdecken größere Spannweiten überbrücken und höhere Nutzlasten ermöglichen. Dies wirkt sich günstig auf die gesamte Gebäudehöhe aus“, erläutert Saskia Scherer von der ausführenden Holzbaufirma Ochs GmbH. Brandschutztechnisch verhält sich die Holz-Beton-Verbunddecke wie eine Stahlbetondecke.

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Hybrid

Das statische System des Wohnturms ist ein Holz-Skelettbau-Raster von neun quadratischen Feldern mit HBV-Decken. Stützen aus Baubuche übernehmen im Erdgeschoss die Traglasten. In der Mitte befindet sich der Erschließungskern mit Treppenhaus und Aufzug in Stahlbetonbauweise. Die Fassadenelemente in Holzrahmenbau wurden mittels Wechselfalzschalung in gehobelter Lärche umgesetzt. Koralan® Vergrauungslasur in den Farbtönen Kies und Lehm schützt die Holz­oberfläche vor Wind und Wetter. „Die Lasur auf Naturölbasis verleiht Holzoberflächen im Außenbereich eine gleichmäßig graue Optik und eignet sich hervorragend für moderne Holzfassaden oder Fassadenprofile. Sie ist wetterbeständig, feuchtigkeitsregulierend und blättert nicht ab“, erzählt Christian-Georg Born von KORA® Holzschutz. „Die besondere Herausforderung bei Holzbauten ist der Witterungsschutz während der Bauphase. In Zusammenarbeit mit der ausführenden Firma Ochs GmbH haben wir nach der Verlegung der Decken-elemente alle Fugen mit Bitumenbahnen abgeklebt“, so die ausführenden Architekten LMG.

» Um die horizontale Ausdehnung des Gebäudes zu minimieren und somit den vorhandenen Baumbestand weitestgehend erhalten zu können, wurde ein achtgeschossiger ›Wohnturm‹ mit einem modularen Grundrisskonzept vorgeschlagen. « Lars Otte und Klaus Leber, ARGE Klaus Leber Architekten BDA und Lars Otte Architektur BDA

Role Model

Ein Vorbild ist der Wohnturm auch in Bezug auf Klimaschutz. „Laut der von der Bauherrschaft SEG in Kooperation mit der TU Darmstadt vorgenommenen Ökobilanzierung wurden 830 Tonnen, sprich 88 % CO2-Einsparungen im Vergleich zu einem konventionell hergestellten Gebäude erzielt. Anders ausgedrückt: das Gebäude hat nach 20 Jahren gerade einmal so viele Emissionen verursacht wie ein konventionelles Gebäude im Jahr seiner Errichtung“, berichten Lars Otte und Klaus Leber. Die Einbindung in den park­ähnlichen Grünbereich bietet natürlichen Sonnenschutz. Der Primärenergiebedarf erreicht damit die Anforderungen eines KfW-40-Hauses, die Kindertagesstätte die eines KfW-55-Hauses. Auch sozial kann das Projekt, das mit dem renommierten Preis des Deutschen Architekturmuseums 2025 nominiert ist, punkten. Neben der Durchmischung von unterschiedlichen großen und teils geförderten Wohnungen gibt es im Erdgeschoss einen Quartiersgemeinschaftsraum sowie eine Kinderkrippe. Das Ensemble wird gut genutzt und sorgt für eine hohe Identifikation im neuen Wohnquartier „Kastel-Housing“.

Fakten und Daten