Technik
Holzwerkstoff von morgen

Das vierjährige Forschungsprojekt der Empa, der Berner Fachhochschule, der ETH Zürich, sowie mehrerer Industriepartner und Verbände befindet sich in der Abschlussphase. Mithilfe von mathematischen Modellen und groß angelegten Versuchen soll eine Lücke geschlossen werden: Bei der statischen Berechnung von Bauten in Holzrahmenbauweise werden aktuell Wände mit Fensteröffnungen für die horizontale Aussteifung nicht berücksichtigt, weil Daten zu ihrem Tragverhalten fehlen.
Gebäude müssen nicht nur den vertikal wirkenden Lasten wie Schnee und Eigengewicht standhalten, sondern auch solchen, die von der Seite auf sie einwirken, etwa durch den Wind an der Fassade oder durch Erdbeben. Diese horizontalen Lasten müssen im Planungsprozess berechnet werden, um ausreichend steife und tragsichere Bauten entwerfen zu können. Doch weder in der Schweiz noch in anderen europäischen Ländern gibt es eine Regelung dazu, wie viel Horizontallast eine Holzrahmenwand trägt, wenn sie eine Fensteröffnung enthält – sobald ein Fenster in der Fassade eingeplant ist, muss das ganze Wandsegment vom Planenden so behandelt werden, als sei dort nur Luft, heißt es.
Um diese Lücke zu schließen, begannen Versuche zunächst im kleinen Rahmen mit einzelnen Beplankungsplatten, wie sie im Holzrahmenbau verwendet werden, danach mit kleinen Wandelementen und schließlich mit eingeschossigen Wänden mit verschieden großen Fensteröffnungen. Die abschließenden Großversuche wurden zuerst mit zweigeschossigen Holzwänden, danach mit langen eingeschossigen Wänden, mit jeweils zwei Fensteröffnungen nebeneinander, durchgeführt. Die Erkenntnisse fließen in ein neues Computermodell, mit dem die horizontale Aussteifung der Wände mit Fensteröffnungen berechnet werden kann.
Die Arbeiten am Modell seien noch nicht abgeschlossen, die ersten Ergebnisse sind jedoch vielversprechend: Der Beitrag der Wände mit Fensteröffnungen an die Gebäudeaussteifung sei groß genug, dass in Zukunft weniger teure und arbeitsintensive Stahlverankerungen benötigt werden, heißt es. Bei gewissen Gebäuden könne womöglich sogar auf einen Betonkern verzichtet werden. Bevor das neue Berechnungsmodell in der Industrie zum Einsatz kommen kann, wird es aktuell noch vereinfacht.