Holztafelbild im Trockenstress

Technik, 02.06.25
Claudia Stieglecker
Ein einzigartiges spätgotisches Kunstwerk im Freisinger Dom in Deutschland, das zu zerfallen drohte, konnte in einem zweijährigen Projekt gerettet werden.

Mehr als ein halbes Jahrtausend trotzte das großformatigen Holztafelbild mit biblischen Szenen aus der Heilsgeschichte allen Wirrnissen, bis plötzlich in den vergangenen Jahrzehnten Trockenstress infolge der Klimakrise den Altaraufsatz aus dem Jahr 1495 zunehmend zersetzte, informiert die Deutsche Bundesstiftung DBU. Dürre, Hitze, Stürme, Starkregen – durch solche zunehmend auftretenden Extremwettererignisse werden auch Kulturgüter immer stärker in Mitleidenschaft gezogen.

MANGELNDE LUFTFEUCHTIGKEIT

Beim Tafelbild in der Sakristei des Doms waren die Schäden aufgrund mangelnder Luftfeuchtigkeit immer größer geworden: Das Holz trocknete aus, zog sich zusammen und schrumpfte, mit verheerenden Auswirkungen auf die Ölfarbe. Es bildeten sich Risse, und die Farbschicht löste sich ab – das spätgotische Kunstwerk mit hoher kulturhistorischer Bedeutung zerbröselte. Daher wurde das Tafelbild gleich zu Beginn vom zu trockenen Raumklima der Sakristei isoliert. In einer eigens entworfenen Klimakammer wurde das Kunstwerk einer Luftfeuchtigkeit von rund 60 Prozent ausgesetzt, statt wie zuvor rund 35 Prozent.

BEFEUCHTUNG

Zum Einsatz kamen im Projekt Kameras, Klimafühler und Lasertechnik: Ein eigens konzipiertes Mess- und Monitoringsystem ermöglichte es einem interdisziplinären Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Bewegungen und Veränderungen am Holz und an der Malschicht aufzuzeichnen. Die Expert:innen führten Analysen von Material und Maltechnik sowie hygrothermische Simulationen durch. Dadurch ergab sich ein besseres Verständnis für die Interaktion von Feuchtigkeit und Temperatur. Schließlich entwickelte das Projektteam eine Befeuchtungsmethode für das Tafelbild: Durch eine systematische Klimatisierung wurde der geschrumpfte Holzträger befeuchtet, so dass er sich langsam wieder ausdehnen konnte. Der Zustand des Holztafelbilds sei laut DBU nach zwei Jahren nun stabil.

LEITFADEN

Im Zuge der Kunstwerk-Rettung sei auch ein Handlungsleitfaden für ähnlich gelagerte Fälle entstanden, heißt es weiter. Was dem Freisinger Holztafelbild wegen der Klimakrise widerfahren ist, könnte auch archäologischen Stätten, Baudenkmälern sowie Landschaften, Schlössern, Gärten, Skulpturen oder Gemälden drohen, so die DBU. Die Restaurierung habe wertvolle Erkenntnisse geliefert, wie ähnliche vom Klimawandel betroffene Kulturgüter und Kunstdenkmäler vor der Vernichtung gerettet werden können.