Der Mensch im Zentrum

Innenraum, 03.06.25
Helena Zottmann
Inklusion ist mehr als eine Rampe. Wer menschenzentrierte Räume schafft, wirft den Blick aufs Ganze ­– oft weit über die Gebäudegrenzen hinaus.

„Am inklusivsten ist ein Gebäude, wenn man die Barrierefreiheit gar nicht bemerkt“, sagt Christian Kircher, Architekt und Mitgründer von Smartvoll Architekten. Das Wiener Büro plante ein Gemeindezentrum im nieder­österreichischen Großweikersdorf, das als „holzgewordene Einladung“ mehrfach ausgezeichnet ist. Der Neubau sollte bewusst im Ortszentrum entstehen. Das war teurer und aufwendiger als am Ortsrand, legte aber den Grundstein für die inklusive Herangehensweise. Ziel war es, einen Ort für die Bevölkerung zu schaffen – mit einem Ärztezentrum und Räumen für Gemeindeverwaltung und Vereine.

Planung für alle

Im Gegensatz zum Neubau in Niederösterreich entstand in Freising bei München das „Bürgeramt der Zukunft“ in einer denkmalgeschützten Kaserne mit unveränderbaren Grundrissen. Das Münchner Büro für Innenarchitektur und Raumdesign In-Puls sollte auf rund 500 m2 ein flexibles Zentrum für Verwaltung, Beratung und Austausch für Freising schaffen, welches in den kommenden Jahren erprobt und evaluiert wird. Wo die Grenzen vorab feststehen, muss Inklusion anders gedacht werden: „Wir konnten zwar baulich nicht überall barrierefrei sein, aber wir konnten inklusiv gestalten – mit einem offenen Mindset und menschenzentrierter Raumplanung. Es soll sich jeder willkommen fühlen“, erzählt Sabrina Tafelmeier, Architektin und Partnerin bei In-Puls.

Einladung aus Holz

Als inklusiv oder universell gestaltet gelten jene Produkte, Systeme und Räume, die ohne Anpassung oder Erklärung für alle Menschen nutzbar sind – unabhängig von Fähigkeiten, Kultur oder Herkunft. Bewusste Farbentscheidungen, weiche Formen und eine natürliche Materialwahl können dabei helfen, behagliche, klare und einladende Umgebungen zu schaffen, die beruhigend und vertraut wirken. Im Sinne dieser Prinzipien zieht sich in Freising nun ein Holzmäander als organisches Band durch die Räume. Die Farbtöne orientieren sich bei Hautfarben, Formen und Maßen am menschlichen Körper. Der Mäander dient als visuelles Leitsystem und findet sich auch in der Möblierung wieder.

Fußweg ohne Hürden

Auch in Großweikersdorf machte man sich diese Aspekte zunutze: Die Holzkon­struktion blieb sichtbar, große Fenster lassen viel Licht herein und verbinden den Innen- und den Außenraum. Klare Sichtachsen schaffen eine transparente Atmosphäre, bis ins Herz der Demokratie, in den Sitzungssaal des Gemeinderats. Auf beiden Seiten des lang gestreckten neuen Gebäudes entstand ein neuer Fußweg durch den Ort, mit Nischen und schattigen Verweilplätzen. „Wir haben lange daran gearbeitet, bis wir den menschlichen Maßstab dieser Verbindungswege perfekt betroffen haben. Die Gasse ist weder zu schmal noch für den Ort überdimensioniert“, sagt Christian Kircher. Und sie kommt – trotz Höhenunterschieds – ohne Rampe aus.