Wohnkooperative: De Warren / Natrufied Architecture

Architektur, 06.08.24
Adrian Engel
Eine Wohnkooperative aus den Niederlanden setzt auf eine Fassade aus wiederverwendetem Holz. So wird ein Trend zur Gewohnheit.

„Extravagant?“ Boris Zeisser lacht. „Das ist schön formuliert. Nennen wir die Fassade ausdrucksstark. Wir wollten damit ein Schaufenster für wiederverwendetes Holz schaffen“, erklärt der leitende Architekt des Amsterdamer Wohnprojekts „De Warren“. Die Mission ist gelungen: Immer öfter setzt Architektur auf wiederverwendetes Holz. „De Warren“ ist ein Trendsetter.

Seit der Entstehung im Jahr 2022 haben sich einzelne Unternehmen auf den Verkauf von wiederverwendetem Holz spezialisiert. Mit ihrem Architekturbüro „Natrufied Architecture“ haben Boris Zeisser und Anja Verdonk nun mehrere Partnerschaften für neue Projekte, die auf wiederverwendetes Holz setzen. Die wichtigste Referenz dafür: die Fassade von „De Warren“.

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Anlegemasten und Azobe-Holz

„Wir haben Basralocus-Holz von ehemaligen Anlegemasten und Azobe-Holz von alten Holzverkleidungen zusammen mit den Kund:innen gesammelt“, erzählt Boris Zeisser. „Die Bauherren kümmerten sich um die Lagerung, den Zuschnitt und die rechtzeitige Lieferung an die Baustelle.“ Dieser kollaborative Ansatz unterstreicht den gemeinschaftlichen Geist des Projekts und steht auch für soziale Nachhaltigkeit.

Denn die Bewohner:innen waren intensiv in den Planungsprozess eingebunden. Die Gruppe von rund 50 Menschen durften ihre eigenen Wohnungen (36 Stück) planen. 30 % des Projekts dienen als Gemeinschaftsräume – wie etwa ein Audi-torium, ein Mehrzweckraum und fünf Gemeinschaftsküchen. „Das war ein ziemlich intensiver Planungs- und Bauprozess mit 50 Leuten ohne jegliche Bauerfahrung. Aber am Ende haben wir 50 Freund:innen gewonnen“, resümiert Boris Zeisser.

„Unser Trick war, dass wir die Spannrichtung verändert haben. Der Bestand trägt quasi von der Außenwand zur Mittelwand zur Außenwand ab, und wir haben das Tragwerk einfach um 90 Grad gedreht und spannen auf die aussteifenden Wände, die genauso fundamentiert sind wie die tragenden Wände. Deswegen mussten wir keine Fundamentertüchtigung vornehmen.“ – Vera Hartmann, Sauerbruch Hutton, Berlin

Pioniere auf Sägewerksuche

Aufgrund des Pioniercharakters war auch das wiederverwendete Holz in der Fassade eine besondere Herausforderung. Die Beschaffung ging schnell, doch der Zuschnitt erforderte Geduld. „Da es sich um sehr hartes Holz handelt, fanden wir nur ein Sägewerk, das es für uns zuschneiden konnte“, sagt Zeisser. Zudem mussten die Architekt:innen die niederländischen Brandschutzvorschriften berücksichtigen, die eine Mindestdichte von 790 kg/m³ für das verwendete Holz vorschreiben. Diese Hürden wurden jedoch gemeistert. Das Endprodukt ist somit nicht nur rechtlich einwandfrei, sondern auch ökologisch vorbildlich.

„De Warren“ ist ein energiepositives Gebäude, weil es gemäß den niederländischen Energievorschriften einen EPC-Wert von 0,16 erreicht. Mit hohen Dämmwerten, Sonnenkollektoren und Energiesäulen unter dem Gebäude, die Erdwärme liefern, ist das Projekt ein Paradebeispiel für nachhaltiges Bauen. Die hybride Holzkonstruktion kombiniert Leimholzsäulen und -balken mit Stahlböden und -wänden, was sowohl Stabilität als auch Flexibilität für zukünftige Nutzungen bietet. Die „ausdrucksstarke“ Fassade ist dabei nicht nur optisch ein Anker, sondern erfüllt auch eine weitere Funktion: „Das Holz bietet eine naturnahe Umgebung für Pflanzen, Tiere und Menschen“, sagt Zeisser.

 

Nachhaltigkeit: Mehr als nur ein Konzept

Die Fassadenverkleidung aus den wiederverwendeten Azobe-Stützmauern und Basralocus-Pollern ist nicht nur umweltfreundlich, sondern auch wartungsfrei. Insgesamt wurden 330 m³ Holz verwendet, das über 300 t CO₂ speichert – eine Menge, die den Emissionen eines durchschnittlichen Autos in den Niederlanden über 200 Jahre entspricht.

Doch auch für die Hausgemeinschaft ist „De Warren“ eine Besonderheit. Die Gemeinschaftsräume sind entlang der zen-tralen „Machu-Picchu-Treppe“ angeordnet, die alle Stockwerke miteinander verbindet und den täglichen Kontakt zwischen den Bewohner:innen fördert. So ist „De Warren“ nicht nur ein Vorbild für die Architekturszene, sondern auch eine außergewöhnliche Wohnerfahrung.

Daten & Fakten

  • Bauherr:in & Grund­eigentümer:in: Building group De Warren
  • Architektur, Innen­architektur & Planung: Natrufied Architecture
  • Konstruktionskosten: 5,5 Mio. €
  • Planung: 2018–2020
  • Fertigstellung: 2022
  • Bebaute Fläche: 3.070 m²
  • Heiz- und ­Kühlkonzept: Energiepositives Gebäude mit hohen Isolierwerten, Sonnenkollektoren und Energiepfählen unter dem Gebäude (90 Pfähle mit je 30 m Länge tragen das Gebäude und liefern Erdwärme durch integrierte Schläuche).
  • Materialkonzept: Fassadenverkleidung: recycelte Stützmauern (Azobe), unbehandelt und wartungsfrei, Bretter aufgedoppelt. „Mikado“-Fassade für Balkone und als Aufhängung für Pflanzentöpfe: recycelte Poller (Basralocus). 330 m3 Holz wurde verwendet für: Fassadenverkleidungen, Tragwerk, Holzrahmenfassaden­elemente, Fensterrahmen, Innenwände.
  • Soziale Nachhaltigkeit: Gemeinschaftliches Wohnkonzept:
    50 Personen in 36 Wohnungen, plus 30 % Gemeinschaftsräume im Gebäude (Auditorium, Makerspace, Mehrzweckraum, Musikproberaum, Co-Working-­Space, Gewächshaus, Dachterrasse, Wäscheraum, Kinderzimmer und fünf Gemeinschaftsküchen).
  • Ökologische Nachhaltigkeit: Hybride Holzhauptstruktur mit Säulen und Balken aus Leimholz, Fußboden und Wänden aus BSP. Naturnahe
    Fassade aus recyceltem Holz.