Tischlerei Rüscher: Holzbau für Generationen

Architektur, 02.12.25
Helena Zottmann
Die Tischlerei Rüscher im Bregenzerwald ist ein fester Bestandteil im Dorf. Was als Werkraum im Stadl begann, entwickelte sich zu einem Betrieb, der die Ortschaft heute auch optisch prägt: Der moderne Holzbau an der Ortseinfahrt ist nicht zu übersehen.

Idyllisch liegt die kleine Gemeinde Schnepfau im Bregenzerwald: Über den Dächern thront die mächtige Kanisfluh. Rund 500 Menschen leben hier umgeben von Weiden und landwirtschaftlich geprägter Architektur. In der Enge eines gewachsenen Straßendorfes entstand im Stadl hinterm Wohnhaus der Familie Rüscher im Jahr 1910 der gleichnamige Tischlereibetrieb. Über hundert Jahre entwickelte sich der Betrieb am ursprünglichen Standort, bis man hier an Grenzen stieß: „Wir haben jahrzehntelang in alle Richtungen angebaut, bis es irgendwann nicht mehr ging“, erzählt Christian Rüscher, der die Tischlerei heute in der dritten Genera-tion führt. Die Maschinen wurden zu groß, die Wege auf mehreren Etagen zu weit und die Sozialräume zu klein. Für die Planung eines Neubaus bot sich Simon Moosbrugger bereits 2014 an, der für die Masterarbeit seines Architekturstudiums ein Projekt mit Praxisbezug suchte. Viele Jahre zogen ins Land, bevor die Pläne erneut in die Hände genommen wurden und sich aus der Möglichkeit die Realität formte.

» Der neue Firmensitz ist eine Visitenkarte geworden. « Simon Moosbrugger, Architekt ZT

Holz als Selbstverständlichkeit

Im Bregenzerwald ist Holz Teil der kulturellen Identität. „Eine Blechhütte wäre hier undenkbar. Der Holzbau gehört zu unserem Handwerk und in unsere Landschaft“, sagt Christian Rüscher. Auch seitens der Behörden war ein Gebäude in Holzoptik die einzige Option. Die Tiefgarage und sensible Bereiche wie Lackiererei, Fernwärmeanlage und Technikräume wurden aus Stahlbeton errichtet; Fichtenholzstützen und Fachwerkträger aus Baubuche tragen die Produktionshalle. Eschenböden und Wandverkleidungen aus 3S-Platten schaffen ein helles und angenehmes Arbeitsumfeld. Die Suche nach dem Standort erwies sich als langwieriger als gedacht. „Im Zuge der Masterarbeit konnte ich mich frei im Dorf bewegen“, sagt der Architekt. In der Realität mussten Besitzverhältnisse und behördliche Auflagen bedacht werden, was den Baubeginn um ein Jahr verzögerte. Schließlich fand sich für den neuen Holzbau ein Grundstück an der Ortseinfahrt. „Dass wir dort ein Stück freie Wiese versiegeln mussten, war uns natürlich bewusst. Dazu haben wir uns sehr viele Gedanken gemacht“, erinnert sich Moosbrugger. Um den Flächenfußabdruck dabei möglichst klein zu halten, verlegte man die Büro- und Sozialräume über die Produktion und die Stellplätze in die Tiefe. So bleiben die Autos der Mitarbeiter:innen im Sommer kühl und im Winter schneefrei, wie Rüscher betont.

Ein Haus für Menschen

Mit schallabsorbierenden Kassettendecken und Lehm-Kasein-Böden sowie Teppichböden sorgte man für ein angenehmes und natürliches Raumklima in den Büro- und Sozialräumen. Auf 4.500 m² Fläche sind in der Tischlerei Rüscher nun geordnete Produktionsabläufe möglich und Arbeitsplätze entstanden, die modernen Ansprüchen an die Arbeitswelt entsprechen. Die klimatisierten Räume ermöglichen ganzjährig kon­stante 22–24 °C, es gibt großzügige Pausen- und Ruheräume und helle Ausstellungsbereiche mit großen Fenstern Richtung Berglandschaft. Diese Qualität hat sich schnell herumgesprochen: Während der alte Standort Probleme hatte, Lehrlinge und Fachkräfte zu gewinnen, muss Rüscher heute Bewerbungen ablehnen.

 

Tradition trifft Moderne

Architekt und Bauherr wollten mit dem neuen Gebäude an die regionale Bautradition anknüpfen: „Mit der Fassade stellten wir einen Vergleich zu den historischen Bauernhäusern her“, erklärt Simon Moosbrugger. Wie bei alten Bauernhäusern gibt es eine klare Differenzierung zwischen Arbeits- und Wohnteil – nur in umgekehrter Logik. „Dass die Produktion nun eingeschossig funktioniert, wollten wir herausheben und den Produktionsteil optisch aufwerten.“ Die Produktionshalle im Erdgeschoss bekam eine fischgrätartige Holzfassade aus sägerauer Fichte, dazu große Fensteröffnungen. Das Obergeschoss mit Büros und Sozialräumen zeigt sich mit vertikalen und horizontalen Holzlatten zurückhaltender. Das Projekt konnte nahezu vollständig mit Handwerksbetrieben aus dem Bregenzerwald umgesetzt werden; beim Innenausbau kam Holz aus der eigenen Produktion und dem eigenen Wald zum Einsatz. „Der neue Firmensitz ist eine Visitenkarte geworden“, sagt Simon Moosbrugger. „Er zeigt, dass man mit Holz eine zeitgemäße, flexible und nachhaltige Arbeitswelt schaffen kann.“ Der Neubau ist heute nicht nur Werkstatt, sondern ein weithin sichtbares Aushängeschild – nicht nur für die Tischlerei Rüscher, sondern auch für den Holzbau. 

Daten & Fakten

  • Bauherr:in: Tischlerei Rüscher GmbH
  • Architektur: DI Simon Moosbrugger Architekt ZT
  • Statik Beton: Eric Leitner ZT, Schröcken; Holz: i+r Holzbau, Lauterach
  • Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg
  • Gebäudetechnik: Alles nach Plan Ingenieure, Wien
  • Planungsbeginn: Oktober 2020
  • Baubeginn: Oktober 2021
  • Fertigstellung: Dezember 2022
  • Fläche: 5.292 m2
  • Bebaute Fläche: 2.550 m2
  • Haustechnikkonzept: Beheizt mittels Hackschnitzel­anlage mit 10k L Pufferspeicher und Kühlung mittels Klimaanlage durch eigenen PV-Strom
  • Endenergiebedarf: 60.659 (Büro) kWh/(m2a)