Holzkreislauf: Interview mit ÖGUT-Projektleiterin

Branche, 28.01.25
Helena Zottmann
Die Kreislaufwirtschaft verändert die Sicht auf die Materialherkunft von Ressourcen. Das gilt auch für Holzwerkstoffe, doch es gibt große Lücken. Ein Gespräch über Massenflüsse.

Als grundsätzlich kreislauffähiges Material wird Holz gepriesen und beworben, die tatsächliche Zirkularität von Holz steht in der Baustoffindustrie aber noch vor großen Herausforderungen. Derzeit wird Bauholz nach dem Abbruch zu Spanplatten verarbeitet oder thermisch genutzt. Um Holz tatsächlich kreislauffähig zu machen, braucht es erst eine lückenlose Datengrundlage. Wo befinden sich Holzressourcen aus dem Gebäuderückbau und wie können sie in der Folge mobilisiert werden? Das finden Forschende der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) heraus. Im Gespräch mit Projektleiterin Veronika Reinberg.

Holz wird neben seiner guten Klimabilanz gerne das Wort „Kreislauffähigkeit“ zugeschrieben. Wie kreislauffähig ist Holz in der Praxis?

Aktuell leider nur im Downcycling für Spanplatten. Die tatsächliche Kreislauffähigkeit von Materialien hängt von der Qualität der verarbeiteten Rohstoffe und dem Wissen darüber ab, zudem auch von der rechtlichen Situation. In der Regel könnte unbehandeltes Holz wiederverwendet werden, das heißt in die Möbelindustrie gehen oder sogar wieder als Baumaterial genutzt werden. Das Altholz muss dafür aber nachweislich schadstofffrei sein. Ansonsten muss das Holz energetisch genutzt, also in speziellen Anlagen verbrannt werden, die mit den Emissionen umgehen können.

 

Das klingt doch gar nicht so kompliziert. Wo liegt das Problem?

Naja, einerseits sind die verbauten Holzbauteile in den Gebäuden nicht bekannt und teilweise auch sehr alt. Das betrifft zum Beispiel Gründerzeithäuser. Man weiß einerseits nicht, welche Materialien verbaut sind und welche Qualität diese haben. Es bräuchte dieses Wissen aber, denn die Kreislaufwirtschaft muss geplant werden. Aus diesem Grund wird heute das meiste Altholz zu Spanplatten verarbeitet oder thermisch verwertet, also verbrannt. Ein anderes Thema ist, dass es beim Abbruch von Häusern keine Priorität hat, Bauteile aus Holz ohne Zerstörung rückzubauen. Außerdem ist es ein Problem, dass es noch kaum zuverlässige und zerstörungsfreie Prüfungsmethoden gibt, die die sichere Wiederverwendung garantieren.

» Der Wunsch ist, die Kluft zwischen theoretischen Konzepten und der praktischen Umsetzung zu schließen.« Veronika Reinberg

Wie will man das lösen?

Im Rahmen unserer Untersuchung möchten wir zumindest die Datengrundlage liefern, mit der diese Probleme gelöst werden können. Wir betrachten die stoffliche Holznutzung für den Baubereich und das aus dem Rückbau stammende Altholz und sehen uns Masseflüsse, Hindernisse und Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette an. Das Ergebnis unseres Projekts ist ein ausführliches Holzflussdiagramm mit einer präzisen Übersicht über den Verbleib und die Verwendung des Holzes in den verschiedenen Bauprodukten. Ziel ist es, ein Szenario für 2050 zu entwickeln, in das Lösungsansätze für ein erhöhtes Wiederverwendungspotenzial und die Nutzung von Holzreststoffen einfließen.

 

Was braucht es dafür?

Dazu braucht es das grundlegende Wissen über Massen, aber auch zu den aktuellen Hindernissen in der Praxis. Gründerzeithäuser haben beispielsweise einen hohen Anteil an Holz in Decken und Dachstühlen. Anhand von Bauplänen können wir eruieren, wie viel und welches Holz in diesen Gebäuden verbaut wurde und können bei deren Abriss auch das Potenzial für die Wiederverwendung ermitteln. Die Hemmnisse in der Praxis lassen sich grob in technische, rechtliche und wirtschaftliche Kategorien einteilen.

 

Welche Hemmnisse sind das beispielsweise?

Materialien wiederzuverwenden ist derzeit teurer und rechtlich schwieriger, als neue Rohstoffe zu nutzen. Die Mengen von recycelbarem Holz aus dem Gebäuderückbau sind noch gering, da lohnt sich das Recycling oft nicht. Das wäre etwa ein wirtschaftliches Hemmnis. Ein technisches Hemmnis ist, dass Materialien nicht auf ihre Festigkeit geprüft werden können, ohne sie dabei zu zerstören. Bei sehr alten Holzmaterialien kann also die Qualität und Stabilität nicht zuverlässig beurteilt werden, da bräuchte es neue Analysemethoden. Auch in den technischen Bereich fällt die Aufbereitung recycelbarer Holzmaterialien für BIM (Building Information Modeling). Architekten und Planer müssen in der Lage sein, die Eigenschaften und Qualitäten von wiederverwendbaren Materialien im BIM-Modell zu berücksichtigen, dann könnte Materialrecycling bereits in der Planung integriert werden. Rechtlich gesehen wird der Einsatz von recycelten Materialien durch bestehende Bauvorschriften und Standards noch stark behindert. Es gibt keine klaren Richtlinien, was Architekt:innen und Bauherr:innen noch verunsichert.

 

Was ist das Ziel?

Was wäre der Wunsch? Der Wunsch ist, die Kluft zwischen theoretischen Konzepten und der praktischen Umsetzung zu schließen. Wir möchten mit unserer Studie die Datengrundlage dazu liefern und anhand von Beispielen aufzeigen, wie diese Massenflüsse in verschiedenen Gebäudetypen aussehen könnten. Wir analysieren die Pläne und entwickeln logistische Modelle in Zusammenarbeit mit Architekt:innen und Logistiker:innen. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im nächsten Herbst vorliegen.

HolzKreislaufStudie

Die Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) leitet die im Rahmen des Waldfonds vom BMLRT finanzierte Holzkreislaufstudie und
erarbeitet dabei Lösungsansätze für den zirkulären Holzbau in Österreich. Das Ziel des Projekts ist eine ausführliche Datengrundlage in Form von Massenflüssen und ein Idealszenario für 2050, um Holz aus dem Bauwesen nutzen zu können und damit langfristig CO₂ zu speichern. Diese will die ÖGUT gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur Wien, dem Architekturbüro ­Reinberg ZT GmbH und der BioBase bis Ende 2025 liefern.

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