Interview mit dem Tischler:innen-Duo WALLI.WITSCH
Im April 2024 haben Sie sich mit einer kleinen Tischlerei selbstständig gemacht. Warum haben Sie diesen Schritt gewagt? Philip Senekowitsch: Die Gelegenheit zur Gründung bot sich, als wir zufällig auf eine kleine Werkstatt im 5. Bezirk in Wien gestoßen sind. Der Vorgänger musste aus gesundheitlichen Gründen aufhören, und so konnten wir die Werkstatt übernehmen. Theresa Wallinger: Unser Traum war immer, das Handwerk sichtbarer zu machen und in die Stadt zu bringen. Und diese Werkstatt im Herzen Wiens, direkt am Naschmarkt, hat uns diese Möglichkeit geboten. Es ist ein tolles Gefühl, wenn Passant:innen durch das Fenster schauen und direkt zur Hobelbank blicken können.
Das Handwerk wieder sichtbar machen: Wie kommt dieses Konzept bisher an?
PS: Sehr gut! Wir haben uns hier im Viertel schnell zum Nahversorger entwickelt. Die Menschen kommen mit allen möglichen Anliegen zu uns – sei es, um ein Brett zuschneiden zu lassen oder einen maßgefertigten Kleiderschrank in Auftrag zu geben. Es ist selten geworden in der Stadt, solche Handwerksbetriebe zu finden, und die Leute schätzen das sehr.
Ihr Konzept scheint daneben auch eine Mischung aus Tradition und Innovation zu sein. Was zeichnet Ihre Arbeit aus?
TW: Unser Konzept ist es, vorwiegend mit Massivholz zu arbeiten und individuelle Möbel-Unikate zu fertigen. Wir möchten Stücke schaffen, die ein Leben lang halten und vielleicht sogar an die nächste Generation weitervererbt werden können. PS: Auch wenn wir manchmal auf Zukaufartikel zurückgreifen müssen, liegt unser Fokus auf echten Holzarbeiten und einzigartigen Möbelstücken.
Viele Menschen suchen wieder den Kontakt zum Handwerk. Töpferkurse liegen etwa stark im Trend. Damit entspricht Ihre Idee dem Zeitgeist, oder?
TW: Ja, absolut. Die Faszination für das Handwerk ist groß, besonders für das Tischlerhandwerk. Viele Leute fragen uns, ob sie bei uns eine Lehre oder ein Praktikum machen können. Das Material Holz hat einfach etwas Anziehendes, es riecht gut, fühlt sich angenehm an, und das ist genau das, was wir den Leuten zeigen wollen.
Was waren denn die größten Herausforderungen auf dem Weg in die Selbstständigkeit?
TW: Der größte Schritt war sicherlich, den Mut zu haben. Die Angst vor dem Scheitern war groß, aber wir haben uns gesagt: Wenn es nicht klappt, dann haben wir es zumindest probiert.
PS: Ein weiteres großes Thema ist das Startkapital. Gerade in unserem Bereich braucht man eine Menge Geld, um loslegen zu können. Es war auch Glück, dass wir diesen Standort übernehmen konnten. Solche Gelegenheiten bieten sich nicht oft.
Und jetzt, wo Sie ein paar Monate im Geschäft sind: Wie lauten Ihre wichtigsten Lernerfahrungen?
TW: Zu Beginn hatten wir viele romantische Vorstellungen davon, wie es sein würde. In der Realität sind es aber oft die bürokratischen und organisatorischen Dinge, die viel Zeit und Energie kosten.
PS: Wir mussten vor allem lernen, Aufträge abzulehnen. Zu Beginn denkt man, man muss alles annehmen, aber das führt schnell zu Überforderung und zu Arbeiten, die einen nicht erfüllen.
Zum Abschluss: Welche Visionen haben Sie als junge Berufseinsteiger:innen denn für das Tischlerhandwerk?
TW: Wir wünschen uns, dass das Tischlerhandwerk diverser wird. Insbesondere, dass mehr Frauen in diesen Beruf einsteigen. Der Beruf ist noch immer sehr männlich geprägt.
PS: Wir erleben jetzt einen Generationenwechsel und freuen uns über den Austausch mit anderen jungen Tischler:innen. Unser Ziel ist es, dass Menschen zuerst den Weg zum Tischler suchen, bevor sie zu großen Möbelhäusern oder zu Ikea gehen. Holz ist ein wunderbares Material, das sich im Laufe der Zeit verändert und Charakter entwickelt. Es hat eine natürliche Schönheit und Langlebigkeit, die oft unterschätzt wird. Wir möchten, dass mehr Menschen diesen Wert erkennen und sich bewusst für nachhaltige Lösungen entscheiden.