Architektur
Produktionshalle der SWG Schraubenwerk Gaisbach

Der Campus der niederländischen Universität Tilburg ist einzigartig in seiner Schönheit: eingebettet in ein Waldgebiet bietet er einerseits Unterricht in modernistischen Gebäuden und andererseits Entspannung im Freien zwischen Bäumen. Das erste Bauwerk an diesem Standort stammt von Jos Bedaux aus dem Jahr 1962 und trägt den Namen „Cobbehagen“. Mit seinem Entwurf spiegelte Bedaux die katholischen Wurzeln der Universität wider, während er der klösterlichen Architektur eine modernistische Wendung gab. Alle Gebäude, die danach am Campus entstanden, orientieren sich an Bedauxs schlichtem, aber eindrucksvollem Gebäude.
2024 sollte ein weiteres Universitätsgebäude im Areal Platz finden. „Der Campus in Tilburg wächst stetig, darum gab es Bedarf an einem neuen Gebäude, welches von unterschiedlichen Fakultäten genutzt werden kann“, erklärt Stefan Prins, Partnerarchitekt beim internationalen Architekturbüro Powerhouse Company mit Hauptstandort in Rotterdam. Die Anforderungen der Universität an das neue Gebäude umfassten einige dringende Punkte, erzählt Projektarchitektin Janneke van der Velden von Powerhouse Company weiter: „Die bestehenden Gebäude am Campus haben eine starke architektonische Sprache. Darum war eine der Vorgaben, dass sich das neue Gebäude in diesen Stil sowie auch in die Landschaft einpasst, um die Campus-Identität weiterzutragen.“
Abgesehen von der Optik standen die Energieeffizienz, Zirkularität und Nachhaltigkeit des neuen Gebäudes ganz oben auf der Anforderungsliste. „Um ein Gebäude wirklich energieeffizient und zirkulär zu konstruieren, muss man sich auf ganz andere Aspekte einlassen als bei Entwürfen, bei welchen es ausschließlich um die optische Komponente geht“, so Janneke van der Velden. „Die Bauherrschaft war erfreulicherweise bereit, diesen Weg zu gehen.“ Holz als Baumaterial zu wählen, war teurer, aber nachhaltiger; die Demontierbarkeit der Konstruktion sowie die Wiederverwendbarkeit der Bestandteile ein essenzieller Aspekt. „Wir tauchten sehr tief in die Welt der zirkulären Möglichkeiten ein, um in jedem Bereich die beste und nachhaltigste Entscheidung zu treffen“, sagt die Projektarchitektin. „Beispielsweise sind in dem Universitätsgebäude 9 m lange, maßgefertigte Balken in bester Qualität verarbeitet, die eine zukünftige Wiederverwendung leicht machen.“
» Wir tauchten sehr tief in die Welt der zirkulären Möglichkeiten ein, um in jedem Bereich die beste und nachhaltigste Entscheidung zu treffen. « Janneke van der Velden, Projektarchitektin, Powerhouse Company
Die Fassade des nach der niederländischen Ministerin Marga Klompé benannten Gebäudes ist als Referenz an die Muschelkalkfassaden der bestehenden Campusgebäude in großen Natursteinplatten mit spielerischem Muster ausgeführt. „Der Stein hat eine zeitlose Qualität – für eine sehr lange Nutzung des Gebäudes“, so Stefan Prins. „Holz wäre in diesem Fall für außen nicht die smarteste Lösung gewesen, da die Referenz zu den anderen Gebäuden nicht gegeben ist und sich die Optik im Laufe der Jahre ändert. Für die Konstruktion sowie die Innenarchitektur hingegen war Holz die beste Wahl.“ So wurde das Projekt zum ersten kompletten Massivholz-Unigebäude in Europa.
33 mal 33 m misst die Gebäudefläche des nahezu energieneutralen Komplexes. Er beinhaltet ein Foyer, ein großes Auditorium, 13 Unterrichtsräume und Arbeitsplätze für rund 1.000 Studierende. Platziert ist das Gebäude am Campusareal nahe der Bahnstation. Ziel war es, diesem Ort eine neue Qualität zu verleihen: „Wir werteten mit der Planung des Gebäudes und des Außenbereichs diese Seite des Campus auf. Wo früher nur Parkplatz war, ist jetzt ein einladender Eingang in das Areal entstanden.“
Großes Augenmerk legte das Planungsbüro auf die Akustik – ein essenzieller Bestandteil bei Räumen, die zum Vortragen und Lernen genutzt werden. „Die Übertragung der Akustik zwischen den Räumen ist eine große Herausforderung, der wir in drei Aspekten entgegengewirkt haben: Steifheit und Gewicht der Holzelemente sowie keine undichten Stellen. Wir planten sehr genau, wo und wie Installationen in den Raum dringen, wie diese gedämmt sind, wo wir perforieren. Nämlich nicht im Boden, nur an den Wänden an einer Stelle“, erklärt Janneke van der Velden. Auch bei der Montage der Einrichtung ging das Team in die Details: „Die exakte Ausführung ist ausschlaggebend. Wir haben uns beispielsweise die Wirkung der Länge der Schrauben für die Montage angesehen. Der Baustoff Holz braucht diese detaillierte Auseinandersetzung. Und damit die kollektive Intelligenz und das Wissen aller involvierten Expert:innen“, ist Stefan Prins überzeugt. „Das ganze Team muss an einer gemeinsamen Vision arbeiten. Eine nachhaltige Baukultur verlangt es, tief in die Details eintauchen zu wollen. Wir haben es bei diesem Projekt getan – und haben große Freude am Endergebnis.“