Modularer Geistesblitz
Es gibt das fliegende Klassenzimmer wirklich. Im deutschen Schorndorf. Zumindest fast. Zugegeben: Inhaltlich hat die Fuchshofschule in der großen Kreisstadt mit dem Roman von Erich Kästner nichts zu tun. Doch für die Optik eignet sich der Buchtitel. Denn die Schule verfügt über ein Außenklassenzimmer. Ein Geistesblitz der Architekt:innen. Was für jeden kreativen Beruf gilt, hat sich bei der Planung der Fuchshofschule wieder einmal bestätigt: Planung ist gut – aber Kreativität ist besser. Nicht alle Pläne lassen sich in die Realität umsetzen und das ist manchmal richtig gut, denn Not macht erfinderisch.
Nachhilfe in Geometrie
Das Außenklassenzimmer bietet den Schüler:innen der Fuchshofschule im Obergeschoss einen geschützten Außenraum für die Pause, aber auch für Unterricht im Freien. „Der Raum war eigentlich gar nicht Teil der Ausschreibung. Er ist nur dank der Redimensionierung des Raumprogramms während des Wettbewerbs entstanden“, erzählt die ausführende Architektin Kathrin Merz der Schweizer „Bauart Architekten und Planer AG“.
Die Gemeinde wollte weniger Flächen, aber im Verhältnis mehr davon im Erdgeschoss. „Das führte zu einem volumetrischen Ungleichgewicht, das wir mit dem zusätzlichen Raumangebot elegant beheben konnten. In diesem Sinne führte eine Sparrunde zu einem Mehrwert mit Zukunftspotenzial“, sagt Kathrin Merz. Falls es irgendwann ein zusätzliches Klassenzimmer braucht, kann der Raum auch zu einem geschlossenen und beheizten Klassenraum nachgerüstet werden.
Pavillons treffen Holzbau
Doch nicht nur aufgrund des Einfallreichtums des Projektteams ist die Fuchshofschule ein Musterbeispiel nachhaltiger Architektur. Der zweite große Grund: Holz. Mit dem Projekt demonstriert das Team, wie modularer Holzbau eine zukunftsfitte Erweiterung denkmalgeschützten Bestandes ermöglicht.
1963 errichtete der Schweizer Architekt Fritz Stucky die fünf Bestandpavillons mit dem von ihm entwickelten System „Variel 58“. Heute stehen die Pavillons als Stück progressiver Schulbaugeschichte der Nachkriegsjahre unter Denkmalschutz. Weil Schorndorf bis 2035 die Klimaneutralität zum Ziel hat, war für den Erweiterungsbau zur Ganztagsschule schnell klar: Es braucht ein Upgrade in Holzmodulbauweise mit Photovoltaikanlage. Das Holzbauunternehmen „Blumer Lehmann AG“ gewann zusammen mit dem Planungspartner „Bauart“ den Wettbewerb.
In Anlehnung an die vorhandenen Variel-Pavillons besteht die Erweiterung aus Holzmodulen zweier Modullängen von 6,80 m und 10,20 m. Breite (3,40 m) und Raumhöhe (2,80 m) sind einheitlich. Der große Vorteil dieser Bauweise: die hohe Vorfertigung. Die Bauphase vor Ort konnte damit kurzgehalten werden, was insbesondere für den Schulbetrieb eine wichtige Schonung bedeutete.
In 18 Monaten zur Musterschule
Die Entscheidung für Module half aber auch bei der Bewältigung der erschwerten Arbeitsbedingungen. „Das Projekt für die Fuchshofschule ist unser erstes Projekt, das wir vom ersten Strich des Wettbewerbs Ende 2020 bis zur Bemusterung im November 2021 aufgrund der Corona-Pandemie ausschließlich in virtueller Zusammenarbeit entwickelt und geplant haben. Unter diesen Bedingungen in nur 18 Monaten Planungs- und Bauzeit eine Schule zu realisieren, ist auch für uns nicht Alltag“, erzählt Kathrin Merz.
Zwischenmenschliche Stärken sorgten hier für den Erfolg: Zusammenhalt und Vertrauen zwischen dem Generalübernehmer, den Planenden und der Stadt Schorndorf führten zu effizienten Entscheidungswegen. Auch wenn sich der Erweiterungsbau ästhetisch an den Variel-Pavillons orientiert, setzten die Architekt:innen durchaus auf eine eigene architektonische Prägung.
„Auf eine markante Farbgebung außen haben wir verzichtet, um den identitätsstiftenden Farbkanon der Variel-Pavillons nicht zu konkurrenzieren. Die silbrig vorvergraute Lattung verleiht dem Bau ein feines zurückhaltendes Kleid. Im Innenraum dagegen wird Farbe zum bedeutenden Element. Ein helles Blau angelehnt an die Farbigkeit der Nachbarpavillons prägt die Erschließungsbereiche, in den Haupträumen ist das Holz tonangebend“, erklärt Kathrin Merz das optische Konzept.
Mit der Klammer gerechnet
Mit dem Erweiterungsbau ist die Schulanlage im südlichen Teil nun abgeschlossen. Bisher war die Turnhalle im nördlichen Teil der Anlage das größte Gebäude. „Mit dem Neubau im Süden wird nun räumlich rund um die eingeschossigen Schulpavillons eine Klammer geschlossen“, sagt Kathrin Merz. Der Holzmodulbau stellt ein neues Gleichgewicht zwischen den Volumen auf dem Areal her.
Die Produktion der Holzmodule erfolgte, wie bei Blumer Lehmann für den deutschen Markt üblich, im hessischen Großenlüder. Dort wurden die Boden-, Wand- und Deckenelemente in der klassischen Holzrahmenbauweise gefertigt und zu Raummodulen zusammengefügt. Danach wurden sie von Partnerbetrieben mit Heizung, Sanitär- und Lüftungsanlagen und der Inneneinrichtung ausgestattet. Eine Besonderheit ist hier die Haustechnik: Neben der Holzsubstanz und der Photovoltaikanlage ist sie der dritte Faktor, der das Projekt zum gelungenen Nachhaltigkeitsbau macht.
Ein innovatives Verbundlüftungssystem der Schweizer Firma „Kegel Klimasysteme“ sorgt für Vorteile aus ökologischer Perspektive: Es ist wartungsarm und kommt weitgehend ohne Rohrführung und damit in den Haupträumen ohne abgehängte Decke aus – das führt wiederum zur Reduktion von Material und grauer Energie.
Es sind Details, die in der Summe die Klimafreundlichkeit des Gebäudes bilden. Doch angefangen hat diese schon mit Entscheidung zum Denkmalschutz. Erst durch diese stadtplanerische Grundvoraussetzung konnte die Fuchshofschule zum Vorbild werden. „Bisher waren wir im Kontext solcher Bauten stets mit Abriss und Ersatzneubau konfrontiert“, erzählt Kathrin Merz. „Hier durften wir, inspiriert durch das bestehende Kulturdenkmal, erstmals eine Schulanlage modular weiterbauen und komplettieren.“