Berlin Metropolitan School: Vom Plattenbau zur ­Musterschule

Architektur, 01.08.24
Adrian Engel
Die Berlin Metropolitan School ist ein Vorzeigebeispiel für ökologische Bestandserweiterung. Vorgefertigte Holzelemente machen den historischen DDR-Plattenbau zur modernen Lernoase.

Schnitzereien im Holz. Herzchen. Vielleicht sogar Schimpfwörter? Die Angst des Bauherrn vor Vandalismus beim Neubau der Berliner Metropolitan School (BMS) war groß. 2014, zu Projektbeginn, gab es noch kaum Referenzprojekte von Bildungseinrichtungen mit Holzinnenräumen. Doch das Risiko machte sich bezahlt. „Die Schüler:innen lieben ihre Schule und gehen wahnsinnig sorgfältig damit um“, sagt Vera Hartmann vom ausführenden Architekturbüro Sauerbruch Hutton. In sieben Jahren Nutzung war noch keine Überarbeitung notwendig.

Bau bei laufendem Betrieb

Um dem modernen Lehrkonzept und der neu konzipierten dreizügigen Oberstufe gerecht zu werden, hatte das Projektteam den bestehenden DDR-Plattenbau 2020 mit einer Holzkonstruktion aufgestockt. Die Lorbeeren für das innovative Projekt ließen nicht lange auf sich warten. 2021 wurde die BMS mit dem Deutschen Holzbaupreis ausgezeichnet.

Die Aufstockung und Erweiterung der Schule erfolgte als aufgesetzte Holzkonstruktion auf drei Gebäudeteilen des Typs SBR 80 (Typ Erfurt). Die Baumaßnahmen wurden in den laufenden Schulbetrieb integriert, wobei der hohe Vorfertigungsgrad der Holzkonstruktion eine phasenweise Realisierung ermöglichte.

Spannrichtung schafft ­Perspektiven

Dabei profitierte die Organisation vom geringen Eigengewicht des Materials – es waren keine zusätzlichen Fundamente oder Eingriffe am Tragwerk der bestehenden Plattenbauten notwendig. „Unser Trick war, dass wir die Spannrichtung verändert haben. Der Bestand trägt quasi von der Außenwand zur Mittelwand zur Außenwand ab, und wir haben das Tragwerk einfach um 90 Grad gedreht und spannen auf die aussteifenden Wände, die genauso fundamentiert sind wie die tragenden Wände. Deswegen mussten wir keine Fundamentertüchtigung vornehmen“, erklärt Vera Hartmann. Das Credo von Sauerbruch Hutton lautet bei jedem Bestanderneuerungsprojekt: Eingriffe ins Fundament vermeiden. „Alles, was man vermeidet, dient der Nachhaltigkeit“, betont Hartmann. „Kosten, Zeit und CO₂ spart man, indem man das Material vermeidet, was man sonst einbringt.“ Durch die Verwendung von Holz und den Verzicht auf umfangreiche Fundamentarbeiten konnte das BMS-Projektteam demnach auf mehreren Ebenen nachhaltig agieren.

„Unser Trick war, dass wir die Spannrichtung verändert haben. Der Bestand trägt quasi von der Außenwand zur Mittelwand zur Außenwand ab, und wir haben das Tragwerk einfach um 90 Grad gedreht und spannen auf die aussteifenden Wände, die genauso fundamentiert sind wie die tragenden Wände. Deswegen mussten wir keine Fundamentertüchtigung vornehmen.“ – Vera Hartmann, Sauerbruch Hutton, Berlin

Die Würde des Bestands

Obwohl das Gebäude selbst nicht unter Denkmalschutz steht, befindet es sich im denkmalgeschützten Gebiet der Spandauer Vorstadt. Daher musste sich das Projektteam mit dem Denkmalamt abstimmen, besonders bezüglich der Dachform. „Wir mussten den Winkel der Dachform mehrmals ändern, aber am Ende stand ein stimmiges Ergebnis“, sagt Hartmann.

Die architektonische Gestaltung des Projekts berücksichtigt sowohl ästhetische als auch funktionale Facetten. „Wir wollten unbedingt den Bestand würdigen. Man erkennt an jeder Stelle, ob diese alt oder neu ist“, sagt Hartmann. „Der Plattenbau stammt aus 1987 und wir wollten die historische Bedeutung respektieren, während wir moderne, funktionale Räume schufen.“ So hat das Projektteam etwa die breiten Flure des Bestands als Vorteil genutzt. „Durch die Breite von 3,60 m konnten wir den Saal als Versammlungsstätte für 1.200 Personen genehmigen lassen, weil eine gute Entfluchtung möglich ist“, sagt Hartmann.

Den Bau in Phasen bei laufendem Schulbetrieb wurde durch die Vorfertigung der Holzelemente ermöglicht. „Die großen Brettsperrholzelemente wurden, wie damals noch üblich, ohne Fenster, sondern nur als Holzwände geliefert. Die Montage vor Ort hat dann eine lokale Zimmerei übernommen“, sagt Hartmann. Die ungewöhnliche Zusammenarbeit zwischen dem großen Zulieferer und dem kleinen Handwerksbetrieb verlief erfolgreich. „Die lokale Zimmerei hat die Elemente vor Ort zusammengebaut, und alle Dinge, die nicht vom Zulieferer gefertigt wurden, wie kleinere Unterzüge, hat die Zimmerei selbst gefertigt“, erklärt Hartmann. Diese Kombination aus industrieller Vorfertigung und handwerklicher Expertise ermöglichte eine präzise und effiziente Bauweise. So wurde der alte Plattenbau zu einer natürlichen Lernumgebung. Die Schüler:innen scheinen das Holz dabei besonders wertzuschätzen. Denn im Gegensatz zu den Holzinnenwänden musste die mineralische Türwand bereits gestrichen werden. Zu viele Fußabdrücke.

Daten & Fakten

  • Bauherr:in & Grund­eigentümer:in: Berlin Metropolitan School
  • Architektur: Sauerbruch Hutton, Berlin 
  • Statik: Andreas Külich Beratender ­Ingenieur, Berlin 
  • Planungsbeginn: 2014
  • Fertigstellung: 2020
  • Nettogrundfläche: 3.509 m²
  • Haustechnikkonzept: Kofler Energies Ingenieur­gesellschaft mbH
  • Statisches Konzept: Bestand 1987: industriell vorgefertigter Stahlbeton-Systembau. Die längslaufenden Außenwände aus Stahlbeton tragen das Bestandsgebäude, und die gleich stark bewehrten und fundamentierten aussteifenden Querwände tragen den neuen Dachaufbau. Neu: Dachaufstockung in Holzmassivbauweise (Norden) und aus großformatigen, vorgefertigten Brettsperrholzelementen (Westen). Innenraum: Oberflächen aus BSP weiß gewachst; Holzkastendecke mit Akustikpaneelen aus lasierter Weißtanne verkleidet. Fassade: Die Kupferverkleidung der Dachaufbauten passt sich farblich an die Ziegelästhetik des Bestands an.
  • Wärmeschutz: Mineralwolle (Außenwand), EPS (Dach)
  • Wände: BSP, innen weiß gewachst
  • Fenster: Holz-Aluminium-Rahmen, ­Dreifachverglasung
  • Dach: Dachterrasse, extensive Dach­begrünung, Hohlkastendecke, BSP
  • Beheizung: Fernwärme
  • Lüftungstechnik: TROX Schoolair
  • Qualitäten der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit: Erhalt und Erweiterung eines ­Bestandsgebäudes; leichte Konstruk­tion, die keine zusätzlichen Fundamente erfordert