Neue Holzbautechniken im „Stammhaus“

Technik, 01.04.25
Claudia Stieglecker
Der Hauptsitz der Schweizer Holzbaufirma Blumer Lehmann auf dem Erlenhof im Kanton St. Gallen verbindet computerbasierte Planungsmethoden, digitale Fertigung und handwerkliche Holzbaukunst.

Herzstück des Holzbaus ist eine frei geformte Treppe aus gebogenen Massivholzplatten, deren Entwurf und Holzbautechnik gemeinsam mit dem ICD Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung der Universität Stuttgart entwickelt wurde, so Blumer Lehmann. Ihre Gestaltung mache die zukunftsweisenden Möglichkeiten des traditionellen Werkstoffs Holz räumlich erlebbar. Die Free Form-Treppe im Atrium ist auch Namensgeber des neuen Empfangs- und Bürogebäudes: „Stammhaus“ ist an die skulpturale Form der Treppe angelehnt, die an einen Baumstamm erinnert.

PLASTISCHES RELIEF

Die Free Form-Treppe durchdringt alle fünf Stockwerke des Gebäudes: Nach außen hin formen die gekrümmten Holzsegmente konvexe, fast textil anmutende Wandflächen. Zum zentralen Luftraum hin artikuliert die präzise Verschneidung der gekrümmten Elemente eine Abfolge geschwungener Grate, die sich vertikal durch die Geschosse ziehen und im einfallenden Tageslicht als plastisches Relief hervortreten. Für Tageslicht sorgt ein rundes Oberlicht über dem Atrium. Die tragende innere Wange der Treppenskulptur ist nur neun Zentimeter dick, gewährleistet aber trotzdem die Lastabtragung über fünf Geschosse hinweg, so Blumer Lehmann. Die Verwendung von gekrümmten Bauteilen mit nur zwei unterschiedlichen Radien trage zur konstruktiven Effizienz bei.

SPITZWINKLIGES VIERECK

Das von K&L Architekten entworfene Bürohaus hat die Grundfläche eines einseitig spitzwinkligen Vierecks. Es bietet auf fünf Geschossen Platz für 180 Büroarbeitsplätze inklusive Veranstaltungs- und Eventräume sowie eine Cafeteria mit Terrasse im Erdgeschoss. Im zweiten Obergeschoss verbindet eine Passerelle den Neubau mit der benachbarten Produktionshalle, wo im Obergeschoss weitere Büroflächen geplant sind. Umgesetzt wurde das Stammhaus in einer effizienten Bauweise: Das Gebäude ist als konventioneller Holz-Skelettbau über mehrere Geschosse organisiert und mit einem Betonkern ausgesteift. Die Geschossdecken sind als Holz-Beton-Holz-Verbund realisiert, was Beton spart und ohne Verklebung der Komponenten auskommt.

SONNENSCHUTZ MIT SPRIEGELN

Die vorgehängte Fassade soll dem Gebäude Tiefe und Schattenspiel verleihen, umlaufende Balkone mit vertikalen Holzlisenen dienen als Sonnen- und Blendschutz für die Arbeitsplätze. Dort, wo mehr Sonnen- und Sichtschutz erforderlich ist, werden sie durch horizontal geschichtete Holzstapelelemente ergänzt. Die Gestaltung der Südwestfassade zum Betriebshof orientiere sich an dem Bild der nebenan im Sägewerk zum Trocknen aufgestapelten Brettstapel, heißt es: Die „Holzstapel“ der Fassade bestehen aus keilgezinkten Fichtenlamellen, die auf rund 10.000 Spriegeln aufliegen – das sind kleine Klötze genannt, die bei der Lagerung von Holz als Abstandshalter für die Luftzirkulation dienen.