Offene Möglichkeiten: Macerata Vorschule von BDR bureau

Architektur, 26.11.24
Helena Zottmann
Wo, wenn nicht im Kindergarten, will grenzenlos gespielt, erforscht und gelernt werden? Um diesem Ansatz gerecht zu werden, schufen diese Architekt:innen ein Gebäude, das seine Gebäudegrenzen öffnete.

Sie zählen zu den wichtigsten Aufenthaltsorten junger Menschen und prägen die frühkindlichen Erinnerungen an Architektur: Schulen und Kindergärten. Umso wichtiger sei es, diese Orte als offene Systeme zu gestalten, die mit den Nutzer:innen wachsen können. So sieht das Simona Della Rocca, die gemeinsam mit ihrem Partner Alberto Bottero 2016 das BDR bureau in Turin gründete. Das Büro plante den 2024 eröffneten Kindergarten in der mittelitalienischen Ortschaft Sforzacosta. Dieser war im Jahr 2016 – ebenso wie große Teile der Ortschaft – von starken Erdbeben zerstört worden.

» Durch die offenen Übergänge zwischen den Volumen können wir den Raum optimal nutzen. « Simona Della Rocca, Architektin und Gründerin (BDR bureau)

Offene Systeme

„Wir möchten Räume gestalten, die sich positiv auf das Leben der Menschen auswirken“, sagt Simona Della Rocca. Schulen seien oft sehr starr und könnten sich nur schwer an veränderte Bildungsbedürfnisse anpassen. Dem wollten sie ein Beispiel entgegensetzen. „Eine Schule sollte eine flexible Umgebung sein und nicht eine Aneinanderreihung von vorgegebenen Räumen“, findet Simona Della Rocca. Es entstand ein offenes Gebäude mit drei freistehende Volumen unter einem offenen Dach, wodurch an den Übergängen neue Räume entstehen. Bei der Planung wurden sie von Pädagog:innen unterstützt. Das Ziel der Planung sei es gewesen, mit einfachen Formen und Konstruktionslösungen ein kindgerechtes Gebäude zu schaffen und dabei den größten Teil des Gartens unverbaut zu lassen.

Flexible Wände

„Nach dem Erdbeben von 2016 wurden viele Gebäude in der Region mit Holzkonstruktionen wieder aufgebaut“, erzählt Simona Della Rocca. Die schnelle Bauweise, die einfache Beschaffung und auch das gute Erdbebenverhalten von Holz waren Gründe für die Materialwahl. „Holz war für uns neben der raschen Bauzeit aber aus zwei weiteren Gründen interessant: Einerseits konnten wir die Struktur von außen sichtbar belassen, andererseits können die Menschen das Holz nach Belieben verändern. Zum Beispiel um Regale anzubringen oder die Holzstruktur anderweitig zu erweitern.“ Das macht in diesem Fall besonders viel Sinn: Weil die Schule so klein ist, muss jeder Zentimeter bestens genutzt werden. Von ihren Projekten in Norditalien kannten die Planenden den Umgang mit Kreuzlagenholz. Weil aber Kreuzlagenholz in Mittelitalien nicht hergestellt wird, entschieden sich die Planenden für den Bezug von vorgefertigten Holzrahmenteilen aus einem lokalen Werk mit regionalen Lieferketten. „Für uns war es interessant, diese Bauweise auszuprobieren und mehr über die lokale Lieferkette zu erfahren“, so Della Rocca über das erste Projekt des Büros mit vorgefertigten Holzrahmenbauteilen.

Grüner Ausblick

In 150 Tagen konnte der rund 600 Qua­dratmeter große Bau fertiggestellt werden. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis und den besonderen Qualitäten der Räume“, resümiert Della Rocca. „Unser Lieblingsraum ist das dreieckige Labor, das zum Garten ausgerichtet ist“, sagt sie. Der offene, überdachte Raum entstand aus der Anordnung der drei Kuben im Gebäude und leitet in den Freiraum im Süden über. „Das hohe Portal und die transparente Fassade zum offenen Garten machen den Bereich zu etwas ganz Besonderem.“

Daten und Fakten

  • Bauherr:in: Bau einer öffentlichen Schule auf einem öffentlichen Grundstück der Gemeinde Macerata, gespendet von der Privatstiftung Andrea Bocelli Foundation
  • Architektur: BDR bureau
  • Statik: Andrea Montagna
  • Bauphysik & Gebäudetechnik: SERPILLI srl
  • Weitere Beteiligte: Ausführende Planung und Bauleitung: Paolo Bianchi; Pädagoge: Serafino Carli
  • Planungsbeginn: Oktober 2022
  • Baubeginn: Juli 2023
  • Fertigstellung: November 2023
  • Grundstücksfläche: 4.684 m2
  • Bebaute Fläche: 1.910 m2
  • Endenergiebedarf: 5.267 kWh
  • Gesamter Primär­energiebedarf: 111,06 kWh/m2a
  • Heizwärmebedarf: 73,94 kWh/m2a
  • Statisches Konzept: Alle Strukturen sind aus Holz. Vier Reihen Brettschichtholzbalken tragen das Holzdach. Das Plattformrahmensystem bildet die vertikale Struktur an den Außenwänden und dem verglasten Umfang. Drei geschlossene Rahmen­volumen bilden den erdbebensicheren Kern des Gebäudes.
  • Qualitäten der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit: Der Bau wurde durch private Spenden finanziert & teils von der ABF-Stiftung unterstützt. Alle beteiligten Unternehmen waren lokal ansässig.
  • Qualitäten der sozialen Nachhaltigkeit: Die Intervention ist Teil einer Sanierungs­initiative, um den Mangel an Bildungs- und Gemeinschaftsräumen zu beheben. Der Kindergarten bietet Bereiche für Familien, Kinder und Lehrer:innen, ein Musiklabor, ein Geschmacksatelier, eine Bibliothek und eine Küche.
  • Qualitäten der ökologischen Nachhaltigkeit: Die Schule besteht komplett aus Holz und nutzt umweltfreundliche Mate­­­­­rialien mit hohem Recyclinganteil. Die Energieeffizienz unterstützt die
    passive Gebäudefunktion.