Sara Cultural Center: Holzkultur in Schweden

Architektur, 21.07.23
Helena Zottmann
Eine Kleinstadt in Schweden bekam ein Kulturcenter, das auch in der Großstadt eine gute Figur machen würde. Das Holzgebäude im Norden Schwedens zieht seither Besucher:innen wie Einheimische an und inspiriert Planende sowie Ausführende aus aller Welt.

Es ist in etwa so groß wie das Centre Pompidou in Paris und könnte wohl die gesamte Bevölkerung Skellefteås auf einmal fassen – das Sara Cultural Center in Skellefteå, Nordschweden, ist ein eindrucksvolles Gebäude aus Holz und Glas. 2021 eröffnete der Gebäudekomplex für Kunst, Performance und Literatur. Seither ist es das neue Zuhause für die regionale Theatergruppe, es beherbergt das Anna Nordlander Museum, die Kunstgalerie Skellefteå und die Stadtbibliothek. Daran angeschlossen erhebt sich ein 20-stöckiger Holzturm mit Hotel, das dem zunehmenden Tourismus in der Stadt begegnet.

Stadt am Polarkreis

Skellefteå ist eine Kleinstadt in Schweden und liegt fast am nördlichen Polarkreis, etwa 800 km nördlich von Stockholm. Und die Region wächst: Derzeit leben hier rund 100.000 Menschen, 30.000 mehr als noch vor 10 Jahren. Aufgrund der erwarteten Bevölkerungsentwicklung erarbeitete die Gemeinde eine Strategie, um die Region als Arbeitsplatz, Wohnort und Tourismusdestination attraktiver zu machen. 2015 suchte man im Zuge eines internationalen Wettbewerbs nach Entwürfen für ein neues Kulturzentrum und erhielt 55 Einreichungen aus 11 Ländern. Als Sieger setzte sich das Architekturbüro White Arkitekter aus Stockholm durch. „Es ist ein fantastisches Projekt und wir wollten dieses Gebäude unbedingt aus Holz bauen. Wir wussten, dass Skellefteå eine Holzstadt ist und es auch eine Holzstrategie der Gemeinde gibt. Für uns war es das Ziel, ein nachhaltiges Gebäude zu schaffen, und die Verwendung von Holz war ein großer Teil davon“, so der zuständige Planer Robert Schmitz.

Holz vor den Stadttoren

„Wir verwendeten Fichte aus der Region“, erklärt Robert Schmitz. Maximal 120 km weit seien die Baumstämme transportiert worden, bevor sie in einem örtlichen Sägewerk mit angeschlossener BSP-Fabrik zu den vorgefertigten Bauteilen verarbeitet wurden. Bei White Arkitekter werden vorwiegend große Projekte geplant, viele davon aus Holz. Entsprechend häufig wird mit vorgefertigten Bauteilen und mit Building Information Modeling gearbeitet. „Wir wickeln 100 % unserer Projekte mit BIM ab“, sagt der Planer. „In der Arbeit mit großen Projekten ist das mehr die Regel als die Ausnahme.“ Die Wettbewerbsentwürfe entstanden mit SketchUp, direkt nach dem Wettbewerbserfolg wurde das BIM-Projekt in Revit aufgesetzt. Daneben wurde bereits in der Planungsphase mit Hilfe der Tragwerksplanung simuliert, wie das Gebäude in der Realität aussehen und funktionieren würde: „Wir haben von Anfang an mit verschiedenen Baustatiker:innen zusammengearbeitet, die uns beim Strukturkonzept unterstützten. Ich denke, das war ein wichtiger Schlüssel zu unserem Erfolg“, meint Schmitz.

 

Leben im Inneren

105 Mio. € kostete das Gebäude mit rund 30.000 m2 Bruttogeschossfläche. „Damit hat es trotzdem noch den ungefähr gleichen Quadratmeterpreis wie ein Gebäude aus Beton“, rechnet Schmitz vor. Und es war eine notwendige Investition, denn jedes Jahr ziehen mehr und mehr Unternehmen nach Skellefteå und in die Umgebung und schaffen tausende neue Arbeitsplätze. Zuletzt errichtete der Batteriehersteller Northvolt eine Fabrik in Skellefteå und schuf damit rund 3.000 neue Stellen in der Region. Es ist zu erwarten, dass der Zuzug in die Kleinstadt weiterhin anhalten wird. Im Kulturzentrum spürt man diesen Trend deutlich: „Das Sara Cultural Center ist zu einem kulturellen Knotenpunkt der Stadt geworden“, freut sich Schmitz, der selbst etwa alle zwei Monate vor Ort ist und Architekturführungen durch das Gebäude gibt. „Ich wollte, dass die Menschen helle Räumlichkeiten mit viel Tageslicht bekommen und die Vorder- und Rückseite des Hauses die gleichen Vorteile bekommt“, sagt er. Er selbst verbrachte viele Jahre seiner Kindheit und Jugend bei einer Theatergruppe in Stockholm und wusste er ziemlich genau, welche Anforderungen damit an Räumlichkeiten und Bühnen einhergehen.

Holz in die Stadt

In den 1950er und 60er Jahren fand in Skellefteå ein Wandel von der Holztradition hin zu größeren Betonbauten statt. Die Kleinstadt habe in diesen Jahren „ein bisschen ihre Seele verloren“. „Unser Ansatz war es, diese Seele auf eine neue Art und Weise zurück in die Stadt zu bringen“, so Robert Schmitz. Dabei wollten sie aber keine alten Gebäude kopieren, sondern neue Gebäudetypen in der Holzbautradition schaffen. Daher blieb das Holz in seiner natürlichen Farbe und teilweise hinter großen Glasfassaden sichtbar. „Das Ziel war es, ein niederschwelliges, einsichtiges und ehrliches Gebäude zu schaffen, das die Menschen vielfältig nutzen können. Wir wollten das Material spürbar lassen und sichtbar machen, wie das Gebäude zusammengesetzt ist“, sagt der Planer. Zudem habe sich das Baumaterial auch mit seinem positiven Image bereits als Erfolg gezeigt: „Holz war nicht teurer als andere Materialien. Ich würde sogar sagen, das Gegenteil ist der Fall: Die Werbung, die das Gebäude der Gemeinde allein aufgrund seiner Materialwahl gebracht hat, hat das Gebäude doppelt bezahlt.“