„Zirm“ bis ins kleinste Detail

Architektur, 26.03.24
Adrian Engel
Der Name des Berghotels „Zirm“ in der Südtiroler Gemeinde Olang ist Programm: Zirbenholz und Zirbenprodukte spielen die Hautrolle und garantieren den Gästen einen unver­gleichlichen Aufenthalt.

Die Gemeinde Olang liegt inmitten der Dolomiten, umrahmt von den Gipfeln des Kronplatzes, des Piz da Peres und der Dreifingerspitze. Gäste genießen diese Naturkulisse sommers wie winters, vor allem bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang präsentieren sich die Berggipfel in einem unvergleichlichen Licht. Das modernisierte, erweiterte und architektonisch ganz auf Zirbenholz ausgerichteten Berghotel Zirm spiegelt dieses Naturschauspiel (im wahrsten Sinne des Wortes) wider – und zwar in den Vitralux-Glasfassaden der drei markanten Bauteile des Hotels, das auf rund 1.400 m Höhe über dem Ort thront.

Markantes Erscheinungsbild

Das Berghotel wurde bereits in den 1970er-Jahren errichtet. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurden immer wieder Erweiterungen und Anpassungen vorgenommen. Um den Betrieb von Grund auf zu modernisieren und zukunftsfit zu machen, sollte die in die Jahre gekommene Hotelarchitektur mit Satteldach und Türmchen einer klaren Formensprache und unverwechselbarem Unternehmenskonzept weichen. Das Architekturbüro mutschlechner & bucci aus Bruneck/Stegen zeichnet für die entsprechende Gestaltung und Planung verantwortlich. Architekt Marco Bucci erklärt dazu: „Die Auftraggeber:innen wollten bewusst ein neues, markantes Erscheinungsbild schaffen. Die Entscheidung, dabei auf Holz zu setzen, war schnell getroffen. Danach hatten wir das volle Vertrauen und freie Hand.“

Visualisierung als Entscheidungshilfe

Ziel war es, das Gebäude trotz seiner Größe leicht wirken zu lassen. Das Architekturbüro hat sich dazu auf wenige, dafür markante Elemente beschränkt. Die klaren Formen der Hotelfront zitieren einerseits den klassischen Baustil der Region, andererseits auch die umgebenden Berggipfel der Dolomiten. Der Naturbaustoff Holz vermittelt dabei Naturnähe und Gemütlichkeit. „Das ‚Zirm‘, die Dialektform von ‚Zirbe‘, geht keinerlei Kompromisse ein. Sogar die Holzschalung der Fronten ist zur Gänze aus Zirbenholz gefertigt und mit Koralan Holzöl Spezial der Kurt Obermeier GmbH als Witterungsschutz behandelt“, berichtet Marco Bucci von der Planungsphase. Ursprünglich war geplant, das Holz mit dunkler Farbe zu lasieren. Entsprechende Visualisierungen der Südtiroler Agentur Monsisi haben allerdings sowohl die Auftraggeber:innen als auch die Architekten davon überzeugt, die erste Idee zu überdenken und sich stattdessen für eine helle und naturbelassene Oberflächenvariante zu entscheiden.

» Umbauten von Hotels dieser Größenordnung sind immer eine Herausforderung. Beim Baubestand weiß man nie, was einen erwartet und worauf man tatsächlich aufbauen kann. « Marco Bucci und Martin Mutschlechner, Architekturbüro mutschlechner & bucci

Statische Herausforderungen und Lösungen

Es gab aber auch eine Reihe konstruktiver Gründe, sich in den Obergeschossen des Hotels für die Holzbauweise zu entscheiden. Denn beim Umbau und der Nutzung des vorhandenen Baubestands stößt man schnell an die Grenzen der Statik. Das vergleichsweise geringere Gewicht von Holz als Baumaterial hat es möglich gemacht, die gestalterischen Vorgaben wunschgemäß umzusetzen. Die sichtbaren Bauteile aus Holz – Fassade sowie Giebel- und Dachkonstruktion – sind auch „hinter den Kulissen“ tatsächlich in Holzbauweise ausgeführt. Für die weiten Auskragungen der Balkone wurde vom IPM-Ingenieurbüro eine spezielle Statiklösung entwickelt. Anstatt den Überhang nach unten hin abzustützen, wird die Belastung mittels Zugelementen nach oben hin in die starkdimensionierten Buchenholzleimbinder des Daches gespannt. Marco Bucci fasst zusammen: „Auf diese Weise nutzen wir die Vorteile des Naturbaustoffs Holz, um auch bei einem Projekt dieser Dimension architektonische und ästhetische Leichtigkeit zu vermitteln.“

Nachhaltige, regionale Wertschöpfung

Selbstverständlich spielen auch Regionalität und Nachhaltigkeit eine wesentliche Rolle. Die Tragstruktur des neu errichteten Aufbaus besteht aus 105 m3 Baubuche sowie 123 m3 Brettschichtholz in Fichte. Für die Fassadenflächen und Untersichten der Aufstockung wurden rund – 1.650 m2 Zirbenholz verbaut. Das Holz stammt aus Wäldern der unmittelbaren Umgebung der Gemeinden Oberwielenbach und Weißenbach und wurde von der Olanger Zimmerei Mutschlechner zugeschnitten, für die Verarbeitung vorbereitet und vor Ort verbaut. Um den natürlichen, hellen Farbton des Holzes auf Dauer zu gewährleisten, muss die Behandlung der Zirbenfassade mit Holzöl regelmäßig aufgefrischt werden – schließlich soll auch in Zukunft der „Zirben-Look“ das weithin sichtbare Aushängeschild des Berghotel Zirm sein.

 

Enge Abstimmung als Schlüssel zum Erfolg

Für Architekt Marco Bucci ist die Realisierung dieses Projekts ein Beweis, dass man alles schaffen kann, wenn man will – und wenn die Ansprechpartner:innen regional gut vernetzt sind: „Umbauten von Hotels dieser Größenordnung sind immer eine Herausforderung. Schließlich weiß man beim Baubestand nie, was einen erwartet und worauf man tatsächlich aufbauen kann. Dazu kam, dass die Bauarbeiten genau in die Corona-Zeit gefallen sind. Das hat die Materialbeschaffung, die Lieferungen und natürlich auch die Montage vor Ort deutlich erschwert. Vorteil war, dass dieses Projekt fast ein ‚Heimspiel‘ war, sich die beteiligten Gewerke also unmittelbar austauschen und abstimmen konnten.“

» Das Projekt illustriert eindrucksvoll den Mehrwert, der entsteht, wenn Architekt:innen „freie Hand“ bei der Gestaltung haben. Optisch ansprechend: der Übergang vom Innenraum zu den umlaufenden Balkonen. « Fachbeirat

  • Auftraggeber:in: Berghotel Zirm GmbH, Olang/SüdtirolArchitektur/Bauleitung
  • Architekturbüro: Mutschlechner-Bucci (Marco Bucci/Martin Mutschlechner)
  • Statik: IPM-Ingenieurbüro
  • Holzbauunternehmen: Zimmerei Mutschlechner GmbH
  • Baumeister: Künig GmbH
  • Bauzeit: Februar bis Juni 2020
  • Fassade: 1.650 m2 Zirbenholz
  • Tragstruktur: ca. 105 m3, Baubuche und 123 m3 Leimholz/BSH Fichte, Stahl
  • Wärmeschutz:
    Bestand neu: WDVS in Steinwolle (Brandschutzanforderungen);
    Neubau: Dämmung in Steinwolle (Brandschutzanforderungen)
  • Innenwände Neubau: Massivholzelemente BSP, Trockenbau
  • Außenwände Neubau: Massivholzelemente BSP, bereichsweise Holzständerwände
  • Fenster:
    Bestand: Holzfenster;
    Neubau: vorgehängte, hinterlüftete Glasfassade, Alu-Fenster, Vitralux
  • Holz: Zirbenholz aus einheimischen Wäldern (Umkreis ca. 30 km)
  • Holzveredelung: KORA® Holzschutz: Koralan® Holzöl Spezial UV Natur