Skandinavischer Speed-Spezialist

Architektur, 08.03.24
Adrian Engel
In nur zwölf Monaten hat ein norwegisches Projektteam sechs Geschosse eines Holzbaus errichtet. Erneut beweist damit ein Projekt aus dem hohen Norden: Holz revolutioniert mit Schnelligkeit die Bauwirtschaft.

Erneut hat Skandinavien beim Thema Speed eine Benchmark gesetzt. „Lumber 4“, ein Geschäfts- und Bürogebäude im norwegischen Kristiansand, besticht mit herausragender Baugeschwindigkeit. „Mit Lumber 4 haben wir den Bau eines Holzhauses in kürzester Zeit realisiert und damit einen Rekord in Sachen Effizienz aufgestellt“, sagt der leitende Architekt Christoffer Imislund vom ausführenden Büro „Oslotre“. In nur zwölf Monaten konnte das Projektteam die Detailplanung und den Bau fertigstellen. Ziemlich schnell für ein sechsstöckiges Gebäude.

Daneben glänzt „Lumber 4“ auch mit Ästhetik. Ein zurückgesetztes erstes Stockwerk bildet die Geschäftsebene, während die fünf darüber liegenden Stockwerke Büroflächen beherbergen. Technische Raffinesse und Nachhaltigkeit spielen hier zusammen. Die tragende Konstruktion aus Massivholz, unterstützt von Brettschichtholz, verleiht nicht nur Festigkeit, sondern auch eine natürliche Ausstrahlung. CLT und Beton vereinen sich in den Geschossen zu großzügigen Räumen, die höchsten Anforderungen an Brand- und Schallschutz genügen. Ein kommunikativer Kern und diagonale Elemente im ersten Obergeschoss verleihen dem Gebäude nicht nur Struktur, sondern auch Lebendigkeit.

» Lumber 4 stellt einen bedeutenden Sprung in der Bauinnovation dar und bietet ein perfektes Gleichgewicht zwischen schneller Bauweise und zeitloser Ästhetik. « - Christoffer Imislund, leitender Architekt, Oslotre

FASSADE ALS GESICHT

Vor allem die Fassade empfindet der Chef-architekt Imislund als Highlight: „Die
geschwungene Fassade zeigt nicht nur unser Engagement für Geschwindigkeit, sondern verspricht auch dauerhafte Schönheit, wenn das Gebäude mal altert.“ Vorgefertigte gebogene Holz-elemente aus Kiefernholz, mit grüner Farbe behandelt, erzählen die Geschichte von Eleganz und Zeitlosigkeit. Weil im Laufe der Zeit die Farbe verwittert, entstehen hellere und dunklere gebogene Abschnitte. Alle tragenden Konstruktionen sind freiliegend, die Außenwände sind mit weiß pigmentierten Fichtenholzplatten verkleidet. Die raumhohen Fenster geben den Blick auf die Landschaft frei und sorgen für viel natürliches Licht. So demonstriert „Lumber 4“, wie technische Details optische Individualität bringen.

 

EIN ATRIUM ALS HERZ

Auch das Atrium zwischen dem dritten und vierten Stock vermittelt diese Botschaft. Der Baustoff Holz ist hier Brückenbauer zwischen Innovation und Optik. Verbunden durch eine interne Treppe aus Massivholz, schaffen durchgängige Holz-elemente eine warme Atmosphäre und ermöglichen ein ausgeklügeltes Temperaturmanagement. Akustikplatten aus Holzwolle in verdeckten Servicebereichen und Besprechungsräumen sorgen zudem für eine angenehme Arbeitsumgebung.

Die Technologie hinter der Ästhetik hat das Projektteam akribisch durchgeplant. Das Ergebnis: Ein Energieverbrauch von 92,4 kWh/qm pro Jahr unterstreicht die Effizienz. Dafür sorgt unter anderem eine Belüftungsanlage mit wasserbasierten Heizschlangen. Auch die Holzfaserisolierung und das feuerbehandelte Kiefernholz in der Verkleidung betonen die umweltfreundliche Bauweise. Zusätzlich erfolgt die Energieversorgung über Fernwärme. Die Daten sprechen für sich: Der durchschnittliche U-Wert für Außenwände von 0,21, für Böden und gegen den Boden von 0,11 sowie für Glas, Fenster und Türen von 0,8 bringen neben Energieeffizienz auch starken Schallschutz.

KÖPFE ALS ERFOLGSFAKTOR

Es ist also die Verbindung von Geschwindigkeit, Ästhetik und Nachhaltigkeit, die „Lumber 4“ zum inspirierenden Vorzeigeprojekt macht. Ermöglicht hat das vor allem die penible Denkarbeit aller Beteiligten. Bis in die Details hat das Team nichts dem Zufall überlassen. Indem die Geschosse als Verbundkonstruktion aus CLT und Beton konzipiert sind, entsteht ein schlankes und effizientes Deckensystem, das große Distanzen überbrückt und gleichzeitig die Anforderungen an den Brand- und Schallschutz erfüllt. So sind aber etwa auch die sichtbaren Kabel im Haus in einem hellen Beigeton gestrichen, um gut ins optische Konzept zu passen. „Durch diese Detailarbeit stellt das Haus einen bedeutenden Sprung in der Bauinnovation dar und bietet ein perfektes Gleichgewicht zwischen schneller Bauweise und zeitloser Ästhetik“, sagt Christoffer Imislund. Diese Pionierarbeit macht das Gebäude wiederum zum wirtschaftlichen Erfolg. Die etwas höheren Baukosten im Vergleich zu Stahl-Beton-Bauten hat die schnelle Errichtungszeit gut ausgeglichen und schon bei der Fertigstellung war das Gebäude zu 90 % vermietet. Nachhaltigkeit ist inzwischen zum Wirtschaftsfaktor geworden. So haben die Architekt:innen von „Oslotre“ und das gesamte Team mit „Lumber 4“ einen Speed-Spezialisten geschaffen, der nicht nur die vielen Möglichkeiten des modernen Holzbaus präsentiert, sondern auch für eine umweltfreundliche Zukunft im Bauwesen steht.

  • Architektur: Oslotre AS
  • Bauherr:in: Skeie Eiendom
  • Auftragnehmer: VEF Entrepreneurs
  • Projektmanagement: Innovatre
  • Bauingenieur:in: Oslotre AS; Multiconsult AS;
    Sweco AS
  • Gebäudetechnik: Sweco AS; Rivco AS; Bravida AS; ­Vianova; Rambøll AS
  • Landschaftsarchitektur: Asplan Viak
  • Fertigstellung: 2023
  • Bruttogeschossfläche: 3.106 m2
  • Energieverbrauch BGF: 92,4 kWh/m2a (geschätzt)
  • Außenwände: U-Wert 0,21
  • Böden: U-Wert 0,11; Verbundkonstruktion aus Massivholz und Beton
  • Glas/Fenster/Türen: U-Wert 0,8; Luftleckrate 0,5
  • Energiequelle: Fernwärme
  • Belüftung: Lüftungsanlage mit wasser­basierten Heizschlangen
  • Tragwerk: Holz mit Stützen und Trägern
    aus Brettschichtholz
  • Isolierung: Holzfasern
  • Verkleidung: feuerbehandeltes Fichtenholz