Trockene Luft

Branche, 22.01.24
Claudia Stieglecker
Die Atmosphäre in Europa ist in den letzten Dekaden im Vergleich zur vorindustriellen Zeit durch Treibhausgas-Emissionen deutlich trockener geworden - dies zeigt eine internationale Jahrringstudie.

Die im Rahmen der von der Schweizer Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL geleiteten Studie untersuchten Jahrringdaten reichen zurück bis ins Jahr 1600. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist demnach die Luft über weiten Teilen Europas trockener geworden als im gesamten übrigen Zeitraum – und der Trend halte an, so die WSL. Angesichts der Dürreereignisse in vielen Regionen Europas in den letzten Jahren sei diese Entwicklung bedenklich.

DURST NACH WASSER

Ein Maß für die Lufttrockenheit ist das Dampfdruckdefizit VDP, das den Unterschied zwischen dem tatsächlichen und dem maximal möglichen Wassergehalt der Luft, also sozusagen den „Wasserdurst“ der Luft, beschreibt. Wasserdurstige Luft, also hohes VPD, zieht vermehrt Wasser aus dem Boden und aus Pflanzen, reduziert das Wachstum und kann sogar zum Absterben von Bäumen führen. Die ausgetrocknete Vegetation und die trockenen Böden erhöhen außerdem die Waldbrandgefahr.

JAHRRINGE ZEIGEN SCHWANKUNGEN

Erstmals konnten nun Veränderungen im VPD großräumig in Europa über 400 Jahre rekonstruiert werden: Dafür wurden von einem internationalen Team Daten von Sauerstoff-Isotopen in Jahrringen aus ganz Europa zu einem großen Netzwerk zusammengestellt. Isotope sind unterschiedlich schwere Varianten eines Atoms, die über das Wasser aufgenommen werden und deren Anteil von Jahrring zu Jahrring schwankt. Diese Schwankungen werden zum Großteil durch das VPD gesteuert – daher geben Sauerstoff-Isotope in Jahrringen Auskunft über die Lufttrockenheit in der Vergangenheit.

MENSCHLICHER EINFLUSS

Auch mit den Daten zusätzlich durchgeführte Modellsimulationen kommen zum Ergebnis, dass die Lufttrockenheit im 21. Jahrhundert im Vergleich zur vorindustriellen Zeit außergewöhnlich hoch ist. Darüber hinaus zeigen sie laut WSL, dass die heutigen VPD-Werte ohne Treibhausgas-Emissionen nicht hätten erreicht werden können – der Einfluss des Menschen ist also offensichtlich. Eine weitere Zunahme des VPD stelle längerfristig eine Bedrohung vieler lebenswichtiger Ökosystemfunktionen dar, heißt es weiter. Bei Wäldern etwa seien Holzversorgung und Kohlenstoffbindung gefährdet, was zu Unsicherheiten hinsichtlich der Klimaregulierung und der zukünftigen Kohlenstoffspeicherung dieser Ökosysteme führe.