„Dieser Forschergeist beflügelt die Ideen“
Mehr als 20 Jahre lang leitete Manfred Brandstätter die Holzforschung Austria (HFA), Anfang 2024 ging er in den Ruhestand. Sein Nachfolger und neuer Institutsleiter und Geschäftsführer bei der HFA heißt Gerhard Grüll, die neue Institutsleiter-Stellvertretung übernimmt Holzhausbau-Expertin Sylvia Polleres.
Gerhard Grüll, Sie sind seit 1992 an der Holzforschung Austria tätig, Sylvia Polleres, Sie seit 2000. Sie beide kennen das Institut also sehr gut. Was nehmen Sie aus dieser Erfahrung in die Leitungspositionen mit?
Grüll: Wir beide haben die Entwicklung des Hauses in den letzten Jahrzehnten mitgemacht und mitgestaltet. Ich konnte die letzten zehn Jahre als Abteilungsleiter viel Erfahrung sammeln, mit der ich sehr gut auf die neue Aufgabe als Institutsleiter vorbereitet bin. Ich war bisher für etwa ein Viertel der Belegschaft und drei Fachbereiche zuständig. Damit durfte ich schon sehr viel gestalten und war in die strategischen Entscheidungen für das Haus eingebunden. Jetzt weitet sich das auf das gesamte Haus mit etwa 100 Mitarbeitenden und acht Fachbereichen aus. Da man mich kennt, spüre ich einen guten Rückhalt aus dem Team, was mich sehr freut.
Polleres: Auch ich kenne das Institut schon seit vielen Jahren und habe das enorme Wachstum in der Zeit mitbegleitet. Seit 2008 bin ich selbst Bereichsleiterin des Fachbereichs Holzhausbau und zwischenzeitlich war ich auch für zwei weitere Bereiche verantwortlich. Ich bin daher schon lange im Führungsteam der HFA und weiß Verantwortung zu übernehmen. Ich denke, dass ich großes Vertrauen der Mitarbeiter:innen genieße und mein eher kollegialer Umgang positiv aufgenommen wird. Ein gewisses Maß an Stressresistenz schreibe ich mir ebenfalls zu.
Welche Aufgabenbereiche sind Ihre Stärke? Wie wird sich das in Ihrer jetzigen Position auf die HFA auswirken?
Polleres: Da ich von der Bauseite her komme, war es klar, dass eine meiner zusätzlichen Aufgaben die Infrastruktur des Hauses am Standort Arsenal in Wien betreffen wird. Das Gebäude ist prinzipiell in einem guten Zustand, dennoch sind Teile davon über 70 Jahre alt und wie das so ist bei alten Gebäuden … es gibt immer etwas zu tun! Durch meine jahrzehntelange Zusammenarbeit mit der Holz(bau)branche habe ich mir ein sehr gutes Netzwerk aufgebaut, das ich nun in die Institutsleitung einbringe.
Grüll: Meine Stärke liegt im Bereich Forschung und Entwicklung und ich werde hier zukünftig für die strategische Entwicklung des ganzen Instituts verantwortlich sein. Ich komme von der Seite der Materialentwicklung und so ergänzen Sylvia Polleres und ich einander sehr gut in der fachlichen Kompetenz. Ich freue mich aber auch über den intensiveren Austausch mit den Mitarbeiter:innen, die interne und externe Kommunikation und die Kontakte zur Branche, die diese Aufgabe mit sich bringt.
„Wir nehmen das Steuer ruhig und sicher in die Hand und lenken dann in die richtige Richtung. Es gibt eine flachere Hierarchie und einen neuen Führungsstil.“ – Gerhard Grüll
Wird sich an der HFA kurz- oder langfristig etwas ändern?
Grüll: Wir nehmen das Steuer ruhig und sicher in die Hand und lenken dann in die richtige Richtung. Es gibt eine flachere Hierarchie und einen neuen Führungsstil. Das wird interne, externe und internationale Kooperationen fördern und unsere kompetenten Leute sichtbar machen. Nicht ändern wird sich die Unabhängigkeit und praxisorientierte Aktivität der HFA.
„Es muss schlussendlich auch wirtschaftlicher werden, Holz in der Nutzungskette zu halten, anstatt es energetisch zu verwerten.“ – Sylvia Polleres
Wofür setzen Sie sich ein bzw. wird es (neue) Schwerpunkte geben?
Polleres: In Zukunft werden wir uns sehr intensiv mit der Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit beschäftigen. Das sind Themen, wo Holz seine sehr großen Vorteile hat, wo es aber noch viel Forschung und Innovation braucht, um diese voll nutzen zu können. Es muss schlussendlich auch wirtschaftlicher werden, Holz in der Nutzungskette zu halten, anstatt es energetisch zu verwerten. Wir werden dazu an Bautechniken und Verfahren arbeiten, die eine Trennung von Materialien, die Nutzung von Laubhölzern und die stoffliche Nutzung von Massivholz als Massivholz praktisch ermöglichen werden.
Grüll: Wir werden auch mehr Technologieentwicklungen, vor allem in den Bereichen biobasierte Produkte und Digitalisierung des Holzbaus, voranbringen. In unserem Team gibt es da schon sehr kreative und motivierte Gruppen die sich z. B. mit digitalen Fertigungsmethoden, Elektronik und Simulationstools beschäftigen. Dieser Forschergeist begeistert mich und beflügelt die Ideen.
„Die Bedeutung und Verwendung von Holz als Baustoff und Rohmaterial werden in den nächsten Jahren wesentlich zunehmen.“ – Gerhard Grüll
Welche Vision für die HFA haben Sie als neue Leitung?
Grüll: Holz ist eine gute Antwort auf die drängenden Fragen des Klimaschutzes und der Ressourcenknappheit. Die Bedeutung und Verwendung von Holz als Baustoff und Rohmaterial werden in den nächsten Jahren wesentlich zunehmen. Damit werden die Leistungen, das Wissen und die Erfahrungen unserer Expert:innen noch mehr gebraucht werden als heute, und wir werden diesen Weg mit Fokus auf nachhaltige Innovationen begleiten.
Polleres: Für das Institut heißt das, dass wir uns diesen herausfordernden Aufgaben stellen wollen. Die HFA will das Anwendungsspektrum der nachwachsenden Ressource vergrößern. Mit der Kompetenz unserer Forschenden entlang der gesamten Wertschöpfungskette und der interdisziplinären Zusammenarbeit der einzelnen Fachbereiche wollen wir dem Holz auch neue Funktionen geben und Entwicklungspotenziale aufzeigen. Die HFA soll als zentrale Informationsstelle für die Holzbranche und darüber hinaus für Behörden und Politik wahrgenommen werden.
Gibt es bereits konkrete Ziele und Projekte, die Sie verfolgen möchten?
Grüll: Konkret widmen wir uns gerade einem Kompetenzaufbau zur biologischen Abbaubarkeit von Materialien sowie der Kreislaufführung von Massivholz und Produkten aus Materialkombinationen. Neue Projekte sind eingereicht oder befinden sich in der Entwicklungsphase. Im Dienstleistungsbereich wollen wir bei gleichbleibend hoher Qualität schneller werden und unsere Abläufe entsprechend optimieren.
Polleres: Hinsichtlich Infrastruktur erweitern wir gerade unser Akustik Center Austria am Standort Stetten um einen weiteren Schallprüfstand. Wir wollen die Zusammenarbeit der Fachbereiche an unseren beiden Standorten fördern und auch neue Kooperationen mit Unternehmen und Forschungseinrichtungen forcieren.
„Wir haben in der Vergangenheit immer wieder gesehen, dass die Unternehmen gerade in Krisenzeiten strategisch in Forschung und Entwicklung investieren und hier mit uns zusammenarbeiten. Dafür werden wir als kreativer Forschungsdienstleister am Stand des Wissens und mit moderner Ausstattung zur Verfügung stehen.“ – Sylvia Polleres
Was wünschen Sie sich für die Branche? Und wie kann die HFA etwas dazu beitragen?
Polleres: Wir befinden wir uns in einer spannenden Marktsituation mit steigenden Kosten für Personal, Energie und Verbrauchsmaterialien, und einer schwierigen Lage des Bausektors, mit dem wir sehr intensiv zusammenarbeiten. Wir haben aber in der Vergangenheit immer wieder gesehen, dass die Unternehmen gerade in Krisenzeiten strategisch in Forschung und Entwicklung investieren und hier mit uns zusammenarbeiten. Dafür werden wir als kreativer Forschungsdienstleister am Stand des Wissens und mit moderner Ausstattung zur Verfügung stehen.
Grüll: Wir arbeiten derzeit in einem sehr dynamischen Umfeld, wo wir die Holzforschung Austria aufgrund der Bedürfnisse unserer Branche neu positionieren müssen. Es tut sich gerade sehr viel bei Regulativen, beginnend bei der Rohstoffversorgung, über die neue Ausrichtung der Bauprodukteverordnung, bis zur thermischen Verwertung. In allen diesen Bereichen gilt es, die neuen Anforderungen in einem für die Unternehmen bewältigbaren Rahmen umzusetzen. Als Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsstelle sind wir eine Art Behörde, die mit den Zertifikaten so etwas wie Reisepässe für Produkte ausstellt. Diese Tätigkeit hat aber den wesentlichen Effekt, dass die Unternehmen eine gesicherte und gute Qualität liefern, was uns ein wichtiges Anliegen ist.
Zu den Personen:
Priv. Doz. Dr. Gerhard Grüll studierte an der Universität für Bodenkultur in Wien Holzwirtschaft. An der HFA ist er seit 1992 tätig, war seit 2000 Leiter des Bereichs „Oberfläche und Möbel“, seit 2013 Abteilungsleiter „Holzschutz und Bioenergie“ und seit 2023 Stellvertreter des Institutsleiters. Darüber hinaus ist er seit 2009 Lehrbeauftragter, habilitierte 2022 im Fach „Holzoberflächentechnologie“ an der BOKU und ist Dozent am Department für Materialwissenschaften und Prozesstechnik.
Dipl.-Ing. Sylvia Polleres studierte ebenfalls Holzwirtschaft an der BOKU in Wien, ist seit 2000 an der Holzforschung Austria und leitet seit 2008 den Bereich „Holzhausbau“. Sie ist Lehrbeauftragte an der TU Wien sowie an der TH Rosenheim und stark in die nationale und europäische Normung eingebunden.