Technik
Pavillon aus Eukalyptus

Fortsetzung von Teil 1 (siehe HOLZMAGAZIN 02-2024, Printausgabe)
Lisa Ottenhaus: Als momentanen Knackpunkt im Holzbau sehe ich die Vereinheitlichung und Vereinfachung der Bemessungsregeln. Denn: Viele Länder bieten Holzbau als Ausbildung gar nicht an. In Australien gibt es nur zwei Unis, an denen Holzingenieurbau unterrichtet wird. In der DACH-Region sind es vielleicht ein Dutzend. Und es geht bei der Planung und beim Bau von Holzgebäuden aber darum: Wer kann es berechnen?___STEADY_PAYWALL___
Wir haben unglaublich viele Architekt:innen, die gerne mit Holz bauen würden, auch hier in Australien. Aber wir haben nur geschätzte 20 Holzbauer:innen im Land, die Holzgebäude tatsächlich entwerfen können. Das treibt einerseits natürlich die Kosten in die Höhe. Andererseits bedeutet es auch, dass wenn es mit einem Holzbau zu kompliziert wird, sich die Planenden wieder für die Stahl- und Betonvariante entscheiden. Denn das ist, was sie gelernt haben und können.
Die Berechnungszeit ist wichtig für Verbindungen. Und: Jeder Anbieter hat seine eigenen Bemessungstabellen, seine eigene Software, eigene Produktpalette etc. Das macht es schwierig.
Ein tolles Projekt, das dem entgegenwirken möchte, ist CLT Toolbox , ein Software-Start-up, das Bemessungen für den Holzbau herstelleragnostisch entwickelt, mit Erklärungen und Rechenregeln. Das hilft nicht nur, um Vorbemessungen zu machen, sondern es ermöglicht auch Up-Skilling für Quereinsteiger:innen im Holzbau. Das ist großartig.
Das bedeutet also auch, dass wir mehr vereinheitlichen müssen, und dass wir nicht ständig versuchen, mit immer noch komplizierteren Bemessungen – besonders in den Normen –irgendwo noch 1–2 % rauszukitzeln. Denn es geht schließlich darum: Verbindungen müssen sicher sein und die Bemessungen muss man verstehen können.
Wenn die Studierenden nicht verstehen, wie das Johansen-Modell funktioniert, weil man beispielsweise noch drei verschiedene Faktoren einfügt, um zwei verschiedene Holzdichten miteinander zu verbinden, dann haben wir ein Problem. Weil dann schleichen sich Fehler ein.
Das Johansen-Modell ist ein Berechnungsmodell, das eine genaue Analyse von mechanischen Verbindungen ermöglicht. Es berücksichtigt eine Vielzahl von Faktoren, einschließlich der Materialien, der Geometrie der Verbindung und der Belastungsbedingungen.
Wir brauchen mehr Leute, die ein besseres fundamentales Verständnis für den Holzbau haben. Denn momentan gibt es ganz viel unerschöpftes Potenzial bei Projekten, die in Beton gebaut werden, die aber genauso in Holz realisiert werden könnten. Und das oft nur, weil sich die Leute nicht trauen, in Holz zu bauen. Viele dieser Holzgebäude müssten nicht super optimiert sein und die besten Verbindungen haben – die müssten einfach nur funktionieren. Langweilige Holzgebäude statt langweilige Betongebäude, salopp gesagt. Das ist, was uns momentan fehlt.
Hier müssen Forschung und Industrie zusammenarbeiten, damit wir userfreundliche Bemessungstools auf den Markt bringen und mehr Menschen mit Holz bauen können.
Die Zutaten sind einfach: Man braucht ein Forschungsteam mit einer Vision sowie einen oder mehrere Industriepartner mit einer Vision, die sich dann wirklich zusammensetzen, um gemeinsam an diesen Visionen zu arbeiten. Bei unserem Linkage-Projekt mit Fairweather Homes, Sherpa GmbH, und proclima Australia organisierten wir zweiwöchentliche Meetings, um das Projekt voranzutreiben und zu entwickeln. Und nun gibt es ein Prototypgebäude mit diesem Verbinder. Das ist erfolgreiche Forschung. Wir hatten alle das gleiche Ziel.
Es wäre super, wenn mehr Leute aus den Unternehmen an die Universitäten kommen und z. B. Teilzeit einen Master oder eine Dissertation erarbeiten und im Zuge dessen etwas Allgemeinnütziges erforschen. Das kann gerne etwas Relevantes für das Unternehmen sein, aber auch allgemein Relevanz für die Branche haben.
Die Industrie kann aber auch unterstützen, indem sie Doktorand:innen finanziell unterstützt, also etwa Stipendien zur Verfügung stellt. Voraussetzung dafür ist – wieder – eine langfristige Vision, also weg von kurzer Produktorientierung, hin zu längerfristiger Planung, und dass die Industriepartner das Potenzial sehen, das hinter der Forschung und einer solchen Kooperation steckt.
Wir Forscher:innen müssen verstehen, was die Industrie braucht. Möglicherweise ist das nicht immer genau das, was man selbst erforschen möchte. Man muss also aufeinander zugehen und einander zuhören, um dann an einer geteilten Vision zu arbeiten.
Dieser Ansatz bringt generell die verschiedenen Gewerbe zusammen. Beim Großteil meiner Forschungsarbeit sind Architekt:innen involviert, und bei einem aktuellen Projekt zu „Designed for Dissassembly“ sind Expert:innen der Circular Economy beschäftigt. In unserem Forschungszentrum sind immer Leute aus der Wirtschaft dabei, die ein Businesscase daraus machen können, und Expert:innen aus der Psychologie, die die Sicht der Nutzer:innen miteinbeziehen. So bringt man viele kluge Köpfe aus unterschiedlichen Bereichen zusammen. Der Fokus liegt dabei immer auf der Visionsfindung und dem Aufbauen von langfristigen Partnerschaften.