Architektur
Verpackungshalle von JOSEP Architekten

Wo früher Gartengeräte und Pflanzentöpfe lagerten, erstreckt sich in der Baumschule Vogg heute ein lichtdurchfluteter Verkaufs- und Ausstellungsraum. Die historische Scheune der Baumschule in Neuenstein hat eine neue Bestimmung gefunden – ohne dabei ihre Vergangenheit zu verleugnen. Weyell Berner Architekten haben den Bestand mit einem behutsamen Konzept in die Zukunft geführt.

»Die Scheune selbst dient nun als Wetterschutz, während die neuen Funktionen in das bestehende Stabwerk eingeflochten sind. « Florian Berner, Weyell Berner Architekten
„Unser Ziel war es, einen Ort zu schaffen, der einladend wirkt, aber dennoch überrascht“, sagt die Schweizer Architektin Miriam Weyell. „Ein Raum, der besucht, erkundet, in dem ausgestellt, beraten, geplant, gearbeitet und verkauft wird.“ Tatsächlich erschließt sich die neue Nutzung der Scheune nicht auf den ersten Blick. Erst beim Durchschreiten des Gebäudes entfaltet sich das Zusammenspiel aus Alt und Neu, aus Offenheit und Intimität.
Das Haus-im-Haus-Prinzip ist dabei der Schlüssel zur Transformation: Den riesigen Innenraum der Scheune hat das Projektteam erhalten, aber um eine neue Struktur ergänzt. „Die Scheune selbst dient nun als Wetterschutz, während die neuen Funktionen in das bestehende Stabwerk eingeflochten sind“, erklärt Florian Berner. Büro, Kasse und Sanitärbereich sind in einem eigenständigen Baukörper untergebracht, der sich in das Tragwerk der Scheune einfügt, ohne ihren Charakter zu mindern.



Auffällig ist das Wechselspiel der Dachformen, das dem Projekt seinen Namen gibt. „Der Umbau greift die bestehende Architektur auf und ergänzt sie um zwei neue Elemente“, so Berner. „So entsteht ein Dialog zwischen den drei Giebeln: dem Bestand, dem neuen Vordach und dem eingestellten Baukörper.“ Diese Komposition verleiht der Scheune nicht nur eine gestalterische Dynamik, sondern sorgt auch für funktionale Klarheit.
Besonders das freitragende Vordach auf der Südseite ist mehr als eine ästhetische Geste. Es bildet eine geschützte Übergangszone, unter der Pflanzen ausgestellt und Kund:innen empfangen werden können. Die darunterliegende Fassade wurde gezielt geöffnet, um mehr Tageslicht ins Innere der Scheune zu lassen. Dadurch entsteht eine atmosphärische Spannung zwischen Licht und Schatten, zwischen Einblick und Rückzug.
Alt und Neu zu verweben, zieht sich als Idee durch das gesamte Projekt. „Wir haben uns mit den Arbeiten der finnischen Textildesignerin Johanna Gullichsen auseinandergesetzt“, erzählt Weyell. „Ähnlich wie an einem Webstuhl haben wir neue Funktionen, Räume und vorgefertigte Bauteile in die bestehende Tragstruktur der Scheune eingeflochten – ohne sie zu zerstören.“
Ein Modell im Maßstab 1:33 half dabei, dieses Prinzip zu testen und der Bauherrschaft zu vermitteln. „Das Modell nutzten wir auch, um verschiedene Lichtsituationen zu simulieren – wie das Gebäude bei Tag wirkt und wie sich bei Dunkelheit die innere Struktur nach außen kehrt“, ergänzt Berner. Tatsächlich verwandelt sich die Scheune bei Einbruch der Nacht in eine sanft leuchtende Skulptur, deren Fachwerkkonstruktion von innen heraus betont ist.
Auch energetisch ist die Scheune ein Statement für nachhaltiges Bauen. „Wir haben die beheizte Fläche auf ein Minimum reduziert und die Scheune als thermische Pufferzone genutzt“, erklärt Berner. Die Plus-Energie-Scheune deckt ihren Energiebedarf vollständig aus erneuerbaren Quellen. Im Sommer versorgt sie sogar den ganzen Betrieb. Eine Photovoltaikanlage speist überschüssigen Strom ins Netz ein, während Regenwasser von den Dachflächen gesammelt und für die Bewässerung der Baumschulpflanzen dient.


Mit dem Umbau ist die Scheune nicht nur funktional aufgewertet – sie ist jetzt auch die Visitenkarte des Betriebs. „Die Baumschule Vogg ist ein traditionsreiches Familienunternehmen, das nun einen Ort hat, der diese Identität widerspiegelt und gleichzeitig nach vorne blickt“, sagt Weyell.
Der Charme des Alten bleibt erhalten, doch die Scheune erzählt nun eine neue Geschichte. Eine Geschichte von Transformation, von nachhaltiger Architektur – und von einem Raum, der in die Zukunft einlädt.