Interview: Architektin des Jahres 2022

Branche, 13.07.23
Laura Hafeneder
Barbara Poberschnigg wurde 2022 mit dem anotHERVIEWture Award zur Architektin des Jahres ausgezeichnet. Wer sie ist, was ihrer Meinung die Zukunft des Holzbaus prägt und was sie in ihrem Beruf motiviert, erzählt sie im Gespräch.

„Ich habe ein kleines Architekturbüro im Innsbrucker Stadtteil Wilten. Klein bezogen auf internationale Big Player, groß allerdings hinsichtlich der Sichtbarkeit von Frauen in der Baubranche. Ich kenne leider keine Kollegin in meinem Umfeld, die ein Architekturbüro unserer Größe hat“, beginnt Poberschnigg das Interview. Jedoch ist nicht nur die Größe des STUDIO LOIS bemerkenswert, auch renommierte Projekte, wie der Bestandsumbau der Schulen Kettenbrücke oder die Realisierung eines Meditationshauses in Bayern in Zusammenarbeit mit dem japanischen Architekten Kengo Kuma stehen für das Architekturbüro seit 2015 auf der Tagesordnung.

Für den festen Platz in der Baubranche

2022 wurden die Arbeiten von Barabara Poberschnigg und ihrem Team mit dem anotHERVIEWture-Preis ausgezeichnet. Der Award richtet sich an Frauen in der Architektur sowie Technik und ist über die Jahre neben einer Sichtbarmachung von weiblich gelesenen Personen in der Domäne, zu einem Vernetzungstool in der Europäischen Baubranche geworden. Die Architektin des Jahres berichtet: „Ich habe den Preis im Oktober 2022 mit gemischten Gefühlen entgegengenommen. Einerseits habe ich mich enorm gefreut auf diese Art von geschätzten Kolleginnen aus dem In- und Ausland geehrt zu werden. Andererseits bin ich betrübt, dass es diesen Preis überhaupt noch braucht. Es sollte im Jahr 2022 angekommen eine Selbstverständlichkeit sein, dass sich Frauen in jeglichen Branchen, wie auch in der Architektur und Technik, schon längst einen Platz geschaffen haben.“

Potentiale der Branchenevolution

Auf die Frage, wie die Holzbaubranche mit Herausforderungen, wie steigender Entwaldung, fehlende Biodiversität oder Greenwashing umgehen soll meint Poberschnigg: „Die Baubranche soll an den florierenden Problemen wachsen“. Die Industrie soll die Chance ergreifen, den Holzbau weiter zu entwickeln und die Verwendung von Holz viel konstruktiver gestalten: „Die Agenda muss sein: Wie kann in einem wirtschaftlichen Raster ein Holzobjekt ohne Einschränkungen entworfen werden?“ Der selbstverständliche Einsatz von Holz sei momentan aufgrund von logistischen Themen oft schwierig, doch das muss dringend verbessert werden, um auch den vielversprechenden Markt von Privatpersonen zu erreichen. Denn bei diesen liegt noch großes Potenzial für den Holzbau: „Oft ist es der Otto-Normal-Verbraucher, der beim Häuslbau Sondermüll, wie Baustoffe oder Styropor, anhäuft und so klimatechnische Sünden begeht. Mit dem Werkstoff Holz kann sowas vermieden werden. Die öffentliche Hand ist sich ihrer Verantwortung bereits bewusst und setzt vermehrt auf Holz. Privatpersonen sollten hier dringend nachziehen.“

Ein Gestaltungsjunkie

„Holz ist ein Multitalent. Es dient unmittelbar als fertige Oberfläche, hat gute Akustik sowie angenehme Haptik, schafft Atmosphäre und kann in der Planung Maßstabssprünge extrem gut ausgleichen. Ich bin ein wirklicher Holzfan“, schwärmt Poberschnigg. Durch diese Liebe zum Holz dürfen sich Tiroler:innen zukünftig an unterschiedlichen Holzobjekten des STUDIO LOIS erfreuen: „Am Entstehen sind gerade eine kleine Aufbahrungskapelle im Mathon, wo sich Beton und Holz gegenseitig ergänzen sowie eine Vielzahl an öffentlichen Einrichtungen, von einer Absamer Kinderbetreuungsstätte bis zum Seniorenwohnheim in Imst.“ Genau jene Mitgestaltung bereitet Poberschnigg Freude an ihrem Beruf und motiviert sie im Alltag. Menschen zu beraten, die Gesellschaft mit gelebter Baukultur zu bereichern und gleichzeitig mit dem Planeten sensibel umzugehen ist das Fundament nach dem die Architektin werkt: „Ich plane für Menschen, aber nicht zu jedem Preis und nicht ohne Rücksicht auf Verluste.“