Wie elementare Verbindung entsteht

Architektur, 11.08.23
Marlies Forenbacher
Viele Jahre trennten die Bildungseinrichtungen die beiden Salzburger Ortschaften Flachau und Reitdorf, obwohl sie zur selben Gemeinde gehören. Um den dadurch entstandenen sozialen Spannungen zu entgegnen, wurden nun Volksschulen und Kindergärten zusammengelegt. Die Volksschulen wanderten nach Flachau, und in Reitdorf wurde der bestehende Kindergarten durch einen zweigeschossigen Holzbau erweitert.

Die beiden gleich großen Ortsteile Flachau und Reitdorf in Salzburg Land betrieben lange Zeit ihren jeweils eigenen Kindergarten, ihre Volksschule und ihre Feuerwehr. Eine Zweiteilung des Ortes war die Folge, die über Jahrzehnte zu massiven sozialen Spannungen in der Gemeinde geführt hat. Im Zuge eines Bürgerbeteiligungsprozesses wurde 2019 vom Gemeinderat schließlich beschlossen, die elementaren Bildungseinrichtungen Volksschule und Kindergarten zusammenzuführen. In Folge dessen wurde an einem bestehenden Standort – Flachau – die Volksschule situiert, am anderen – Reitdorf – der Kindergarten. „Neben wirtschaftlichen Aspekten bestand der Hauptgrund für diese Entscheidung darin, dass die Kinder beider Ortsteile gemeinsam aufwachsen und sich damit besser kennenlernen sollen“, erklärt Tom Lechner von LP architektur.

Neubau, aber nicht zu modisch

Der Entwurf sah vor, das bestehende Gebäude der ehemaligen Volksschule mit einem Solitär zu erweitern, der zwischen der vielfältigen Umgebungsbebauung – von Wohnhäusern bis Hotels – und dem auslaufenden Naturraum angemessen vermittelt. „Der Solitär sollte durch den konsequenten Einsatz vom Material Holz geprägt sein und sich gewisser Elemente der Umgebung bedienen. Ein ‚modischer‘ formaler Ansatz war uns fremd!“, setzt der Architekt fort.

Die bestehende Volksschule wurde ausgelagert und der Bestand für die neue Nutzung adaptiert. Ein zweigeschossiger Holzbau ergänzt das Ensemble und wird mit dem Bestandsgebäude über beide Geschosse mit einem Verbindungsgang angeschlossen. Er strukturiert das Grundstück in einen Ankunftsbereich und in befestigte und unbefestigte Außenbereiche. Die Walmdachform und die vorgelagerte gedeckte Terrassenzone schließen formal an die gebaute Umgebung an. Eine Gründung mittels vorgefertigter Pfähle aus duktilem Gusseisen musste nachträglich aufgrund des schlechten Bodens erfolgen. Besonders herausfordernd gestaltete sich die knappe Bauzeit von nur sieben Monaten, die eine kooperative Zusammenarbeit der zahlreichen beteiligten Firmen notwendig machte, um den Bauzeitplan einzuhalten.

Transparenz und Zusammengehörigkeit

Der Neubau mit insgesamt 937 m² beherbergt sechs Kindergartengruppenräume mit den anschließenden Sanitärbereichen, Essenbereiche und Bewegungsräume sowie diverse Nebenräume in Erd- und Obergeschoss. Zusätzlich befindet sich im Dachgeschoss ein Multifunktionsraum, der auch als Ruhe- und Rückzugsbereich dient. Eine vorgelagerte, gedeckte Veranden-Terrassenkonstruktion erweitert dabei die Gruppenräume nach außen und bildet die Schnittstelle in den Garten. „Der in allen Bereichen sichtbar konstruktive Holzbau generiert mit entsprechenden Oberflächen und Mobiliar eine Atmosphäre des Wohlfühlens und Vertrauens, und bietet Rückhalt für die sozialen Kontakte der Kleinsten unserer Gesellschaft“, so Tom Lechner. Zwischen den einzelnen Bereichen wurden bewusst Blickbeziehungen gesetzt, die Transparenz schaffen, Durchblicke von den Bewegungsräumen bis in den Freiraum ermöglichen und eine Zusammengehörigkeit über die Gruppenbildung hinaus vermitteln. Alle Gruppenräume sind gleichwertig Richtung Süden orientiert, wobei die vorgelagerte Terrasse den Raum direkt erweitern und gleichzeitig Verschattung bieten.

Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, eine wirtschaftliche und intelligente Konstruktion zu wählen, die im fertigen Zustand sichtbar und auch nachvollziehbar ist. Auch im Innenausbau spielt Holz eine sichtbare Rolle, die die Raumatmosphäre prägt. Zwischengeschosse, die leicht farblich abgesetzt sind, dienen als Rückzugsorte und gliedern die Gruppenräume. Offenheit und Transparenz prägen überall den Raumeindruck. Die interne Treppe zwischen Erd- und Obergeschoss wird ergänzt durch ein abgetrepptes Sitzmobiliar mit Bibliothekscharakter, und kann als verbindender Aufenthaltsort genutzt werden. Auch hier sind die Holzoberflächen prägendes Gestaltungselement.

Mit guter Energie

Beheizt werden sowohl Bestand als auch Neubau über eine Biomasse-Fernwärmeheizung, die eine wasserdurchströmte Fußbodenheizung in den Gruppenräumen speist und die Radiatoren in den Allgemeinräumen versorgt. Die Warmwasserversorgung erfolgt mittels zentralem Standspeicher im Bestandsgebäude und dezentrale, elektrische Durchlauferhitzer im Neubau. Der Außenraum wird gegen Osten durch ein Nebengebäude begrenzt, das Außen-WC und Abstellräume beherbergt und den Freiraum formal zusammenfasst.

Als Haus der elementaren Bildung wird das neue Ensemble sowohl von der Bevölkerung als auch von den Kindergartenpädagog:innen äußerst positiv angenommen. Die freundliche, helle Atmosphäre bildet den passenden räumlichen Rahmen für das Zusammenführen der beiden Ortsteile, indem es bei der jüngsten Generation ansetzt und diese von Beginn an prägt.